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April 1999 


BRD/USA/UNO/NATO raus!
Verteidigt Jugoslawien–zerschagt die imperialistischen Angriffe!

Das Vierte Reich: zurück zum Balkan

                             Laurent Rebours/AP


Wieder im Balkan: Bundeswehr-Soldaten in Teltovo, Mazedonien.

Gegen alle mörderischen bürgerlichen Nationalisten–
Für eine sozialistische Balkanföderation!

Letzten Oktober hielt der deutsche Bundestag eine historische Sitzung in Berlin, der neuen Hauptstadt Großdeutschlands. Als ihre letzte Tat, stimmte die ausscheidende konservative Regierung von Helmut Kohl zusammen mit der gewählten, von Gerhard Schröder geleiteten, SPD/Grüne-Koalition dafür, die Bundeswehr in Jugoslawien einzusetzen. Dieses Ereignis fand im alten Reichstagsgebäude statt und symbolisierte die Kontinuität des deutschen Imperialismus. Hier stimmten die Sozialdemokraten zusammen mit den bürgerlichen Parteien am 4. August 1914 für Kriegskredite, als die Schlachten des ersten Weltkriegs begannen. Achteinhalb Jahrzehnte später wird die “Berliner Republik“ durch eine Abstimmung für den imperialistischen Krieg eingeleitet.

Sechs Monate danach greift die Luftwaffe noch einmal Belgrad an. NATO-Jägerbomber lassen den Tod auf die jugoslawische Hauptstadt regnen, und versuchen, die Wirtschaft durch die Sprengung von Fabriken, Brücken und Eisenbahnen überall im Land zu zerstören. Jetzt bombardieren die Imperialisten Flüchtlingskolonnen in Kosovo, und tun dies als „kollateralen Schaden“ in ihrem „humanitären“ Krieg ab. In den letzten Monaten hat die Clinton-Regierung wiederholt Krieg im Balkan gefordert, um nach einem Jahr des Skandals in Washington ihre militärische Kraft zu zeigen und den Weltpolizist in einer US-dominierten Neuen Weltordnung zu spielen. Aber während des letzten Jahrzehnts hat der deutsche Imperialismus eine schonungslose Kampagne betrieben, um Jugoslawien zu zerstückeln.

Vom monarchischem Zweitem Reich über das faschistische Dritte Reich bis zum „demokratischen“ Vierten Reich hat der deutsche Imperialismus versucht, seine Herrschaft dem Südosteuropa aufzuerlegen und die dortigen bürgerlichen Staaten schwach und geteilt zu halten. Sie alle haben zu diesem Zweck Serbien angegriffen: Kaiser Wilhelms Reichswehr, Hitlers Wehrmacht und die Bundeswehr. Wenn Lateinamerika der „Hinterhof“ des Yankee-Imperialismus ist, sind die Balkanländer das Hinterland des deutschen Imperialismus, eine Quelle von Märkten, Nahrungsmitteln und Rohstoffen, die in Kriegszeit unerläßlich sind. Während heute die USA und Deutschland zusammen den NATO- Angriff durchführen, wird im Balkan die Saat für neue interimperialistische Kriege gesät.

Nach der Niederlage Nazideutschlands im Zweiten Weltkrieg, wurde ein westdeutscher imperialistischer Staat zusammengebastelt. Mehrere Jahrzehnte hindurch wurde die Bonner Republik häufig als „wirtschaftlicher Riese und politischer Zwerg“ beschrieben. Fest entschlossen, das grausame Erbe des Nazi-Holocaust zu überwinden, verhielten sich Deutschlands „demokratische“ kapita listische Herrscher in einem politisch niedrigem Profil und konzentrierten sich darauf, die größte Wirtschaftsmacht in Europa aufzubauen. Heute ist Deutschland die Achse der kapitalistischen Europäischen Union, deren neue Währung, der Euro, einfach eine verkleidete D-Mark ist. Jetzt bringt ein „selbstbewußtes“ (laut Bundeskanzler Schröder) Deutschland politisch und militärisch seinen Einfluß zur Geltung.

Viereinhalb Jahrzehnte lang lief die Front des Kalten Kriegs mitte durch Deutschland: im Osten die bürokratisch degenerierten und deformierten Arbeiterstaaten des sowjetischen Blocks und im Westen der NATO- Imperialismus. Während vieler Jahre wurden Westdeutschlands imperialistische Ambitionen von der Existenz der DDR (und hinter ihr, die militärische Macht der Sowjetunion) gebremst. Dem Zusammenbruch des stalinistischen Regimes der DDR Ende 1989 folgte 1990 der Anschluß des ostdeutschen deformierten Arbeiterstaats an die kapitalistische BRD im Blitzkrieg-Tempo. Seitdem hat ein erneut zuversichtliches Groß-Deutschland versucht, seine Vorherrschaft über Europa zu festigen.

Aber es dauerte bis 1999 und der Installation einer Koalitionsregierung von SPD und ex-pazifistischen Grünen, um dieses Programm vollständig zu realisieren. Diese „linke“ kapitalistische Regierung realisiert, was Kohl in zwei Jahrzehnten konservativer Kabinette zögerte durchzuführen. SPD-Kanzler Schröder, Kriegsminister Scharping und Innenminister Schily, sowie der grüne Außenminister Fischer waren alle in der „Friedens“bewegung der achtziger aktiv. Heute führen sie die militärische Aggression des deutschen Imperialismus an, und bremsen Massenproteste durch eine Volksfront der Klassenkollaboration. 

Im Namen der Bourgeoisie erklärte die Wiener Presse (27. März), „Gerhard Schröder und mindestens ebenso sein grüner Außenminister Fischer haben sich in dieser Woche zu Staatsmännern gewandelt“ . . . indem sie ihre Hände mit dem Blut der jugoslawischen Werktätigen durchtränkten. In der linken Presse ist viel geschrieben worden über einen „Verrat“ der früheren „roten“ (oder wenigstens rosa gefärbten) Achtundsechzigern an ihren jugendlichen Idealen. Auch hier gibt es eine Kontinuität: als sie vor 15 Jahren gegen die Stationierung von US Pershing-Raketen demonstrierten, ruhte ihre Opposition gegen den NATO- Militarismus auf öko/pazifistisch gefärbtem deutschen Nationalismus. Heute sind sie NATO Kriegshetzer, die deutsche Tornados und Leopard-Panzer gegen Jugoslawien senden, wieder in den nationalen Interessen des deutschen Imperialismus.

Ein Kampf gegen die „rot-grüne“ Militaristen verlangt keine neue Auflage der schwarzrotgold-deutsch-nationalistische „Friedens“bewegung, sondern eine internationalistische Mobilisierung der Arbeiterklasse überall in Europa und in den USA. Eine breite Palette von Reformisten und Pseudorevolutionären rufen in sozialpazifistischem Chor dazu auf, die Luftangriffe zu beenden und die Soldaten nach Hause zu bringen, bevor sie beschädigt werden. Echte Kommunisten dagegen nehmen Partei in diesem Krieg. Es ist die dringende Pflicht der Arbeiterbewegung, scharfen Klassenkampf zu unternehmen, um Jugoslawien zu verteidigen und den imperialistischen Angriff zu besiegen. Wie Lenins Bolschewiki im Ersten Weltkrieg es taten, ist es notwendig, den imperialistischen Krieg mit Klassenkrieg zu bekämpfen. Gegen Burgfrieden steht letztendlich Bürgerkrieg auf der Tagesordnung, um das kapitalistisch- imperialistische System, das solche Kriege züchtet, zu zerschlagen.

Hinter dem aktuellen Krieg in Jugoslawien steckt ein Tauziehen zwischen den großen imperialistischen Mächten, die heute noch Verbündeten, aber auch in zunehmenden Maße Konkurrenten sind. Washington will die NATO als Deckung für seine Rolle als Weltpolizist. Berlin sowie Paris und London wollen eine „europäische Verteidigungsidentität“, um amerikanische Dominanz abzuschütteln. Hinter dem anscheinend obskuren Handelsstreit über Bananen und Luxusgüter verbirgt sich ein Kampf über die Kontrolle der Ölreserven des Kaukasus und des ehemaligen Sowjetzentralasien. Der Krieg in Jugoslawien bereitet eine zukünftige Kraftprobe zwischen den imperialistischen Kräften vor. Die Folge wird sich vielleicht nicht so unmittelbar abspielen wie in den Balkan kriegen 1912-1913, die ein Jahr später den Ersten Weltkrieg auslösten. Die Konturen einer zukünftigen Auseinandersetzung zwischen der US-Supermacht und einem von Deutschland dominierten Europa zeichnen sich aber schon ab. 

Die Pflicht von Revolutionären in allen imperialistischen Ländern ist es, auf der Seite der Opfer des US/NATO-Angriffs zu stehen, und ihre „eigene“ Bourgeoisie resolut zu bekämpfen. In den ersten Kriegswochen waren Protestdemonstrationen in vielen Ländern sogar viel kleiner als sie während des 1991er Golfkriegs gewesen sind. Aber in solchen Zeiten scharfer internationaler Konflikte kann sich das Bewußtsein unter den Proletariern, der Jugend und den Unterdrückten rasch entwickeln. Alle historische Erfahrung zeigt uns, daß Krieg der Vater der Revolution ist. Das Gespenst eines zukünftigen imperialistischen Dritten Weltkrieges kann nur durch internationale proletarische Revolution gebannt werden. Dies ist das Programm, für das die Liga für die IV. Internationale kämpft, in ihrer Bestrebung, eine trotzkistische Weltpartei der sozialistischen Revolution zu schmieden.

„Deutsche an die Front“? 

1987 unterschrieb die SPD ein gemeinsames Papier mit der ostdeutschen stalinistischen SED, das in hochtrabender Rhetorik erklärt, „Der Krieg darf im Nuklearzeitalter kein Mittel der Politik mehr sein“. Damals versuchte die SPD, Ostdeutschland durch seine Ostpolitik zu unterhöhlen („Wandel durch Annäherung“). Jahrzehnte verräterischer stalinistischer Politik, eine „friedliche Koexistenz“ mit dem Imperialismus zu suchen, bereiteten den Weg für die Konterrevolution. Die Sozialdemokratie wurde zur Speerspitze der kapitalistischen Wiedervereinigung, welche die DDR und ihre (bürokratisch verzerrten) sozialen Eroberungen zunichte machte. Sehr bald fingen die deutschen Kapitalisten an, die Gewerkschaften und die Wohlfahrtseinrichtungen des „Sozialstaates“ anzugreifen. Letzteres wurde als „Modell Deutschland“ gelobt, bis zur angeblichen Verbannung der „roten Gefahr“. Nun ist es als unprofitabel angesehen. Und jetzt (ein Jahrzehnt später) ist ein imperialistischer Aggressionskrieg von deutschem Boden ausgegangen.

Als die SPD 1914 ihre Entwicklung zur reformistischen Stütze des deutschen Kapitalismus durch die Bewilligung der Kriegskredite vollendete, erklärte Kaiser Wilhelm, daß er „keine Parteien mehr“ sehe, sondern „nur noch Deutsche“. Im Bundestag zählen heute 96 Prozent der Abgeordneten zur Kriegspartei. Die PDS, die wiedergeborenen Sozialdemokraten, die aus der stalinistischen SED hervorkamen, stimmte gegen den Bundeswehr-Einsatz. Aber sie will nur dem imperialistischen Angriff eine UN-Maske aufsetzen, wie im Korea-Krieg 1950-1953. Der Bundestagsfraktionsleiter der PDS, Gregor Gysi, erklärte nach seiner Reise nach Belgrad: „Die Alternative heißt UNO. Die Kompetenz muß von der NATO zur UNO übergeben werden, um damit auch der bisherigen Weltordnung zu entsprechen“ (Neues Deutschland, 15. April). 

Trotz Gysis eindeutiger Loyalitätserklärung gegenüber der bestehenden (kapitalistischen) Weltordnung, war die SPD über seinen Besuch beim jugoslawischen Präsidenten Slobodan Miloševic höchst empört. Schröder erklärte, die PDS müsse aufpassen, sich „nicht langsam den Vorwurf einhandeln, von einer fünften Kolonne Moskaus zu einer fünften Kolonne Belgrads zu werden“. Aber die PDS dient der deutschen Bourgeoisie treu. Am Wochenende nach den ersten Bombenangriffen organisierten sie eine „Antikriegs“- Demonstration von etwa 20.000 Personen auf dem Berliner Alexanderplatz. Gleichzeitig teilte der PDS- Bundesvorsitzender Lothar Bisky mit, die Partei würde weder die Koalitionsregierung in Mecklenburg verlassen noch ihre „Duldung“ der SPD Regierung in Anhalt-Sachsen beenden. Sicher tun diese eingefleischte Reformisten nichts, um die Arbeiterklasse gegen den Krieg zu mobilisieren. Die PDS ist nur Junior-Partner der Kriegskoalition. Im Gegensatz zu den Grünen wurde ihnen die Möglichkeit noch nicht angeboten, ihre „Antikriegs“-Berufung zu versteigern um in die große Politik einzusteigen.

Vor allem versuchen die PDS und ihre „linken“ Anhänger sich den Interessen des deutschen Imperialismus anzubiedern, indem sie versuchen, die Schuld am jugoslawischen Krieg ausschließlich den Amerikanern zu geben. In seinem Neuen Deutschland-Interview erklärte Gysi: „Und was den Integrationsprozeß in Europa betrifft – Jugoslawien gehört nämlich zu Europa – sind wir hier um Jahre zurückgeworfen. Daran kann nur eine Macht Interesse haben – die USA.“ 

Noch offenere Appelle an den deutschen Imperialismus wurden von der junge Welt veröffentlicht – Sprachrohr für verschiedene Reste der stalinistischen SED (u.a. die Kommunistische Plattform und die westdeutsche DKP). Nach Beginn der Bombenangriffe, führte die Zeitung Interviews mit dem ehemaligen deutschen Flottenadmiral und Chef des militärischen Abschirmdienstes (MAD) Elmar Schmähling und mit dem CDU-Bundestagabgeordneten Willy Wimmer, der den Bombenangriff als einen „großen Fehler“ kritisiert. 

Besonders offensichtlich war ein Kommentar vom Hauptredakteur der junge Welt, Werner Pirker, unter dem Titel „Ein deutsches Wort“:

 „Es besteht kein europäisches und auch kein deutsches Großmachtinteresse, Serbien ins historische Niemandsland zu befördern, zumal die Herren ihrer eigenen Propaganda von Serbien als dem letzten Bollwerk des Kommunismus nicht unbedingt Glauben schenken dürften. Trotzdem gelang es der überseeischen Supermacht weitgehend problemlos, ihr Destabilisierungskonzept für Südosteuropa gegen die ursprüngliche Kontaktgruppen-Position durchzusetzen, die Integrität Jugoslawiens für ungültig zu erklären und die großalbanischen Halluzinationen zur Aggression in eigener Sache zu nutzen. Denn mit der Unterwerfung Jugoslawiens wäre die Einkesselung Rußlands vollendet....
„Seit Bismarck haben die Deutschen dem Verhältnis zu Rußland außerordentliche Bedeutung zugemessen. Ihr Versuch, die russische nationale Existenz auszulöschen, setzte ihrer eigenen beinahe ein Ende. Die Blockade, die nun vom IWF über Rußland verhängt wird, verfolgt das gleiche Vernichtungsziel. Und das Ziel der neoliberalen Supermacht nach alleiniger Weltherrschaft.“
Also, diesen angeblichen Linken zu Folge, war das Problem mit Hitler, daß er das „deutsche Großmacht interesse“ bedrohte!! Welcher Hohn! Pirkers „deutsches Wort“ ist jedoch nur ein besonders groteskes Beispiel eines verbreiteten Themas in den Antikriegsprotesten. „Amis go home!“-Rufe sind im deutschen nationalistisch-pazifistischen Milieu fast instinktiv geworden. 

Zu behaupten, daß der deutsche Imperialismus keine eigenen Interessen daran hat, Jugoslawien militärisch anzugreifen und zu zerstückeln, bedeutet, ihre eigene Bourgeoisie zu entlasten . . . und mehr als ein Jahrhundert deutscher Geschichte zu leugnen. Die Kontinentalmacht Deutschland hat wiederholt versucht, eine eigene Vorherrschaft über „den Südosten“ zu festigen, und zwar durch die Verhinderung oder die Zerstörung eines jeden Staats, der die Südslawen umfaßt. Durch wirtschaftlichen Imperialismus in Friedenszeiten und durch Invasionen im Krieg haben die kapitalistischen Herrscher Deutchlands immer einen „Drang nach Südosten“ verfolgt. Und indem die deutsche Linke auf bürgerliche Antikriegssentiments baut und an imperialistische „Nationalinteressen“ appelliert, erklärt sie damit ihr Loyalität gegenüber ihren bürgerlichen Herrschern in zukünftigen imperialistischen Konflikten. Genauso haben Schröder, Fischer und Scharping es in der deutsch-nationalistischen „Friedens“- bewegung der Achtziger getan.

Der Sozialpatriotismus von vielen „Kriegsgegnern“ nimmt lächerliche Ausmaße an. So hat PDS- Bundestagsabgeordneter Winfried Wolf das Gespenst angehoben: „Sagen sich die Alliierten möglicherweise erneut, wie Ende des letzten Jahrhunderts beim Boxer-Aufstand in China, ,The Germans to the front‘?“ (junge Welt, 10. April). Wolf wurde lange mit Ernest Mandels Marke des Pseudotrotzkismus verbunden. Also haben wir hier das Spektakel dieses Ex-Pseudotrotzkisten, der besorgt ist, daß die arme Bundeswehr von ihren Verbündeten in die Front gedrängt wird! Deswegen will er Kriegsminister Scharping (der wie auch Wolf ein Radfahr- Enthusiast ist)  fragen „wie ist es um den Schutz der deutschen Soldaten im mazedonischen Tetovo bestellt?“ Er äußert die Befürchtung, das dortige Bundeswehr-Lager könne einem Angriff durch serbische Artillerie, Milizen oder sowjetische „Frog“ Boden-Boden-Raketen ausgesetzt sein!! Jedoch hält sich das mazedonische Expeditionskorps der Bundeswehr bereit, in Jugoslawien als Frontkämpfer für das Vierte Reich einzudringen.

Es ist die deutsche Bourgeoisie, die „Germans to the front“ befürwortet. Das rosa und olivgrüne Kabinett hat die Gelegenheit eifrig ergriffen, deutsche Militärmacht im Ausland einzusetzen. „Humanitäre“ Kriegspropaganda wird verwendet, um historische Abneigungen zu überwinden – sowohl zuhause als auch auf dem Rest des Kontinents – von denjenigen die sich dagegen wehren, daß deutsche Truppen wieder durch Europa marschieren. Wenn amerikanische Generäle und die strategischen Analytiker des Weißen Hauses sich um ein „Vietnam Syndrom“ sorgen, das militärische Abenteuer im Ausland bremst, sind ihre deutschen Pendants mit einem noch größeren „Dritten- Reich-Syndrom“  zuhause gegenüber dem Krieg konfrontiert. Und das in einem Kontinent dessen Boden fast bei jeder Generation mit Soldatenblut durchtränkt ist.

Die längste Friedensperiode der deutschen Geschichte, wie ein Zeitungsleserbrief feststellte, dauerte 63 Jahre, vom 1555er Augsburger Religionsfrieden bis zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges 1618. Die Periode nach dem Zweiten Weltkrieg ist gegenüber diesem Rekord zehn Jahre kürzer ausgefallen. Der Briefschreiber bemerkte auch, daß, mit Ausnahme des schandbaren „Siegs“ im Kolonialkrieg gegen die Hereros in Namibien (ehemaliges deutsches Südwestafrika), Deutschland jeden Krieg der letzten 128 Jahren verloren hat. Ein anderer Briefschreiber unterstrich, daß Deutschland seit 1900 niemals von einem fremden Staat angegriffen wurde. Aber Deutschland „hat jetzt zum sechsten Mal in diesem Jahrhundert (...) eine kapitalistische deutsche Armee in Gestalt der Bundeswehr fremde Völker überfallen und mordet Zivilisten.“ 

Tauziehen in der NATO

Es ist wahr, daß seit dem angeblichen Raçak-Massaker im Januar Washington auf Krieg gegen Jugoslawien gedrungen hat. Dies war der opportune Vorwand für die Bombenangriffe. In einem einzelnen Raketenangriff auf eine Flüchtlingskolonne wurden zweimal so viele Albaner von der US-Luftwaffe getötet als in diesem trüben Vorfall in einem von der Kosovo Befreiungsarmee (UÇK) kontrollierten Bereich starben.

Ein früherer leitender Funktionär von „Ärzte ohne Gren zen“, Jean Christophe Rubin, bemerkte in Le Monde

 „Die NATO definiert einen Feind, droht ihm, greift letztendlich an und zerstört ihn.... Um so eine Maschinerie in Bewegung zu bringen, ist ein Auslösermechanismus notwendig.... Der Hebel der NATO ist heute ... humanitär. Sie braucht Blut, ein Massaker, etwas, das die öffentliche Meinung so wütend macht, daß sie eine gewalttätige Reaktion begrüßen wird.... Um es ganz offen zu sagen: Der Westen braucht Leichen... In Kosovo warten wir auf sie, und wir werden sie bekommen.“ 
Ruffin wies darauf hin, daß im gegenwärtigen Einsatz sogenannte nicht-staatliche Organisationen (NGOs) und „Menschenrechts“organisationen eine Schlüsselrolle beim Vorbereiten des Terrains spielen. Da gibt es auch die Rolle der Medien in der Kriegshetze. Die taz hatte seit Monaten versucht, Kriegsstimmung zu erzeugen, indem sie Berichte über Massaker in Kosovo veröffentlichten, die dann später dementiert werden mussten.

Die Herrscher der USA haben zwar am meisten auf einen militärischen Angriff auf die Serben gedrungen. Sie wollen aber an der Spitze der Truppe stehen und sich vergewissern, daß sie unter amerikanischem Befehl bleibt. Schon vor einem Jahr verweigerte Bonn seine Zustimmung zur Unterbindung von Waffenlieferungen aus Albanien an die UÇK. Bonn meinte, sowas würde eine „Unterstützung des serbischen Unterdrückersystems gegen die Kosovo-Albaner“ bedeuten (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28. Mai 1998). Die linke Wochenzeitung Jungle World (14. April) berichtete, daß in der NATO-Planung, der Kopf des militärischen Komitees des Bündnisses, der deutsche General Klaus Naumann „offen für den Bodenkrieg Partei ergriff.“ Die Mehrheit seiner imperialistischen Verbündeten wiesen dies als zu riskant zurück. Der Journalist bezieht sich auf einen Spruch der vierziger Jahre, nach dem die NATO dazu dienen sollte, „die Russen draußen, die Amerikaner drinnen und die Deutschen unten zu halten“ – eine Kurzbeschreibung die unter sehr geänderten Umständen immer noch stimmt. Er fragt: „Wollten die USA mit der Übernahme der Führung im Kosovo-Krieg und der Kontrolle seiner von Deutschland ausgelösten Dynamik die Europäische Union bzw. deren deutsche Vormacht ,unten halten‘?“ 

Simultan mit dem Krieg gegen Jugoslawien feiert die NATO ihren 50. Jahrestag mit einem Gipfelfest. Aber die Feiern verbergen wachsende Widersprüche. Die Kriegsplaner im Pentagon und im Nationalen Sicherheitsrat wollen ein „neues strategisches Konzept“ entwickeln. Dies soll die antisowjetische Strategie ersetzen, die den USA erlaubte, ihre Hegemonie unter den Imperialisten zu behalten. Da der gemeinsame Feind verschwunden ist, will die USA, daß die NATO als einer selbstmandatierte internationale Polizei für „out-of-area“ Einsätze dient. Liberale klagen darüber, daß Washington sich nicht einmal darum kümmerte, nach einer UN Resolution zu bitten. Aber das war weder Versehen noch Arroganz – es sollte einen Präzedenzfall etablieren. 

Bundeskanzler Schröder hat bei der Münchener Konferenz für Sicherheitspolitik im Februar erklärt,  daß „eine Gefahr eines Alleingangs, nicht von irgend jemand sondern von der USA, ist unleugbar.“ Der wirkliche unmittelbare Faktor, der Washington dazu bewegte, die Führung der Kriegskampagne gegen Jugoslawien zu übernehmen, war nicht ein nützliches (wenn nicht überhaupt fabriziertes) Dorfmassaker, sondern eine Besprechung letzter Dezember zwischen Großbritannien und Frankreich mit deutscher Zustimmung. Diese forderte die Europäische Union auf, „die Kapazität für autonome Handlung, gestützt von glaubwürdigen militärischen Kräften“ zu entwickeln. Wenn Washington nicht die Führung ergriffen hätte, könnte es solch einer autonomen Handlung in Kosovo gegenüberstehen. 

Der Hauptarchitekt solch einer „autonomen“ europäischen Militärkraft wäre derselbe General Naumann, der heute das Militärische Komitee der NATO leitet. Reformistische Kritiker des jugoslawischen Krieges beklagen Washingtons Zertrampeln des Rechtes auf nationale Souveränität. Naumann aber erklärte in einem neuen Interview mit dem Stern (31. März): „Alle Bemühungen, nach Ende des Kalten Krieges eine neue Weltordnung zu schaffen, sind bisher gescheitert. Aber nationale Grenzen verlieren immer mehr an Bedeutung.“ Naumann wurde gefragt, ob die europäischen NATO-Länder da nicht zum Hilfstrupp für den selbsterklärten Weltpolizisten USA werden. Er antwortet: „Ohne die Amerikaner geht gegenwärtig nichts. Wir können doch nicht darüber klagen, daß Amerika zu mächtig ist. Den Europäern fehlt der geschlossene politische Wille“. 

Wenn ein deutscher imperialistischer General erklärt, daß Grenzen immer mehr an Bedeutung verlieren und „geschlossenen politischen Wille“ fordert, sollte man aufpassen. 1992 veröffentlichte Naumann, damals Generalinspekteur der Bundeswehr, „Verteidigungspoli tische Richtlinien,“ wo er das Ziel von Bundeswehr-Ein sätzen definiert als: „der Schutz Deutschlands vor äußerer Gefahr und politischer Erpressung“ sowie auch „die Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt im Rahmen einer gerechten Weltordnung“. Auf dem Schlachtfeld von Jugoslawien werden heute sowohl Washingtons als auch Berlins strategische Begriffe ausgetragen, während Serben und Albaner den Preis in Form von Opfern und ökonomischer Verwüstung bezahlen. 

Wie Bonn die Auflösung 
von Jugoslawien durchsetzte

In unserer Erklärung vom 2. April wiesen wir auf Beweise hin, nach denen das UÇK von Anfang an vom deutschen Militärischen Abschirmdienst (MAD) bewaffnet wurde, besonders aus NVA-Beständen. Außerdem gibt es zahlreiche Hinweise auf Verbindungen zwischen der UÇK und dem Bundesnachrichtendienst (BND). Sogar die New York Times zitiert US-Beamte, die feststellen, daß diese kosovarische Marionettenarmee in Rauschgifthandel verstrickt ist. In der Tat, die ganze Operation erinnert stark an die nikaraguanischen Contras, die von Washingtons Geheimdienstlern zusammengebastelt wurden. Nur sind in diesem Fall die Puppenspieler Deutschen statt Amerikaner gewesen. Die UÇK macht kein Hehl daraus, ein bloßes Werkzeug der Nato zu sein. Jedenfalls schwenken kosovarische Demonstranten in Deutschland amerikanische Fahnen und Plakate, die verkunden: „NATO, wir sind ihre Bodentruppen!“ (Spiegel, 5. April).

Dies ist Teil einer breiteren deutschen Politik, die während mehr als einem Jahrzehnt aggressiv versucht hat, Jugoslawien zu zersplittern. Die jugoslawische Föderation befand sich bereits in den 80er in Auflösung wegen der zentrifugalen Marktkräfte. Die wohlhabendere Republiken (Slowenien und Kroatien) wollten sich von der Finanzierung der Entwicklung der ärmeren Südregionen befreien und suchten Zugang zur kapitalistischen „Europäischen Gemeinschaft“. Obwohl Jugoslawien unter Tito und seinen Nachfolgern sich als sozialistisch bezeichnete, war das durchschnittliche Einkommen in Kosovo kaum ein Sechstel dessen von Slowenien. Serbenführer Miloševic hat mit seinen nationalistischen Hetzreden nationale Spannungen enorm hochgeschraubt, insbesondere gegen die Kosovaren. Dies spielte den prokapitalistischen kroatischen und slowenischen Nationalisten in die Hände. Die stalinistische Bürokratie unter Tito und seinen Nachfolgern unterhöhlte die Grundlagen des jugoslawischen deformierten Arbeiterstaats. So bereiteten sie den Weg vor für Konterrevolution und die Zerstörung des Landes. Aber der Todesschlag kam von Bonn.

Als Kroatien einseitig die Unabhängigkeit erklärte, und militärische Einsätze gegen die jugoslawische Nationale Armee (JNA) Mitte 1991 anfingen, sagte der deutscher Außenminister Hans-Dietrich Genscher dem Zagreber Regime: „Mit jedem Schuß rückt die Unabhängigkeit näher“. Nicht nur die regierende CDU/FDP-Koalition befürwortete diese Linie. Im Sommer und Herbst 1991 hat die erzkonservative Frankfurter Allgemeine Zeitung ununterbrochen für die Anerkennung von Slowenien und Kroatien als unabhängige Staaten getrommelt. Die Grünen unter Fischer forderten die Anerkennung der abgespaltene nordjugoslawischen Republiken seit August 1991. Ein Kreis von SPD-Politikern um Karsten Voigt und Norbert Gansel gab den entscheidenden Anstoß für die einseitige deutsche Anerkennung von Slowenien und Kroatien. UN-Generalsekretär Javier Perez de Cuellar warnte schon damals in einem Brief an Genscher, daß dies zu einer „Ausweitung des derzeitigen Konflikts führen“ und eine „explosive Situation insbesonders in Bosnien-Herzegowina und auch in Mazedonian herbeiführen“ würde.

Washington sträubte sich zunächst gegen die Zersplitterung Jugoslawiens und setzte auf den ehemaligen Bankier, der an der Macht in Serbien gekommen war – Slobodan Miloševic. Deutschlands europäische Verbündete Großbritannien und Frankreich, traditionell mit Serbien verbunden, zögerten auch. Die UNO hatte auf bestimmte „Menschenrechts“- Bedingungen bestanden, die u.a. Garantien der Rechte der nationalen Minderheiten einschlossen. Aber im Oktober 1991 stimmten sämtliche Parteien im Bundestag dafür, die abgespaltenen Republiken anzuerkennen, unabhängig von Garantien für die Minderheiten, wenn diese nicht von der EG anerkannt würden. Als Indiz für die Wichtigkeit die Bonn dieser Sache beimaß mag gelten, daß Deutschland auf einem EU-Treffen in Maastricht im Dezember 1991 die Anerkennung der Unabhängigkeit Sloweniens und Kroatiens zu einer Bedingung machte für den Beschluß zur Einführung einer gemeinsamen Währung – der zentrale Bestandteil des Maastricht-Abkommens. Sämtliche EU-Regierungen stimmten dann zu. Kohl nannte diesen „einen großen außen politischen Erfolg für die Bundesregierung, die sich seit langem mit großem Nachdruck für die Anerkennung Sloweniens und Kroatiens eingesetzt hat“. Daraufhin ging Bonn vor und erkannte sie dennoch einseitig. Eine Woche später folgte die Anerkennung durch den Vatikan.

Die neuen Staaten waren praktisch Neokolonien Deutschlands. Die deutsche Rolle bei ihrer Entstehung wurde im 1994 erschienen Buch Krieg in Jugoslawien von Tobias Pflüger und Martin Jung detailliert beschrieben. Der faschistoide Gewaltherrscher in Kroatien, Tudjman, erklärte: „Wir Kroaten haben keine Angst vor einem wiedervereinigten Deutschland. Im Gegenteil: Je stärker ein einiges Deutschland, desto besser für Kroatien.“ Es war niemandem entgangen, daß die zwei Staaten, die Kroatien anerkannt hatten, dieselben waren, die den faschistoiden Ustascha-Staat im Zweiten Weltkrieg unterstützt hatten. Die Bundesregierung gab nicht nur diplomatische Unterstützung, sie bewaffnete auch ihre Neokolonie. Ein Bericht der UNO klagte Deutschland an, weil es das Waffenembargo durchbrochen und Kroatien 60 Panzer geliefert hatte. Inzwischen traten Dutzende deutscher Söldner in die kroatische Armee und die HOS-Miliz ein, unter ihnen viele Nazis. Die berüchtigte „Schwarze Legion“ der HOS wurde von einem Deutschen geführt. Britisch Faschisten, amerikanische Anhänger der Ku Klux Klan und allerlei ultrarechte Söldner strömten hinein.

Seit Jahren sind die westlichen Medien voll von sensationellen Berichten über „ethnische Säuberungen“ durch serbische Einheiten in Bosnien und Kosovo. Die Greuelgeschichten werden selektiv ausgewählt und manipuliert, um Akzeptanz für „humanitäre Eingriff“ (d.h. Krieg gegen die Serben) zu erzeugen. Geschichten über serbische Konzentrationslager wie Omarska wurde große Publizität gegeben, während kroatische Lager wie Capljina nicht erwähnt wurden. Ein Dokument des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) berichtete von 46 Internierungslagern in Bosnien 1993. Die Mehrheit davon (mit der größten Anzahl von Gefangenen) wurden von der bosnischen Regierung kontrolliert. Inzwischen führte die Unabhängigkeit der zwei nördlichen jugoslawischen Republiken schnell zur Zersplitterung von Bosnien-Herzegowina, und zum fünfjährigen Krieg dort, der Tausende von Leben gekostet hat. 

Alle Seiten in diesem Kampf versuchten, nationale Minderheiten zu vertreiben, um ethnisch homogene nationale Staaten zu konsolidieren. In diesem Kampf waren die weitaus meisten „ethnisch gesäuberten“ Flüchtlingen Serben. Dies schließt 250.000 Serben aus der Krajina- Region (wo sie seit Jahrhunderten gelebt hatten) ein, die vom Tudjman-Regime vertrieben wurden. In Bosnien wurden 70.000 Serben aus Sarajewo vom islamisch- fundamentalistischen Izetbegovic-Regime vertrieben. Die serbischen nationalistischen Kräfte in Bosnien haben schreckliche Verbrechen begangen, wie auch die bosnische Mosleme und Kroaten. Der Westen behauptet, „multiethnische Demokratie“ in Jugoslawien zu befürworten. Tatsache aber ist, daß Serbien der ethnisch heterogenste Bestandteil des früheren Jugoslawiens ist. 63 Prozent seiner Bevölkerung sind Serben, 14 Prozent Albaner und 23 Prozent andere Minderheiten. Slowenien, Kroatien und die kroatischen und muslimischen Teile von Bosnien hingegen sind alle mehr als 90 Prozent ethnisch homogen. 

Vom zweiten Reich zum vierten: 
Der rote Faden von Deutschlands 
antiserbischer Politik

Deutschlands antiserbische Politik geht bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Friedrich List, der „Vater der deutschen Nationalökonomie“, erklärte „ganz Südosteuropa“ zum deutschen Hinterland. Kaiser Wilhelm betrachtete es als eine Brücke zum Nahen Osten, wegen seinen Ambitionen auf eine deutsche Einflußzone von Berlin bis Bagdad. Deswegen waren deutsche Regierungen konsequente Gegner einer starken Regionalmacht der Südslawen und wollte den Balkan „balkanisieren“, in leicht kontrollierbare Kleinstaaten unterteilen. Nach der Einigung Deutschlands unter Bismarck 1870, steigerte Berlin seine Bemühungen, den russischen Einfluß in der Region zu verhindern. Als 1875-1876 ein Aufstand gegen das sterbende Osmanische Reich ausbrach, rebelliert die Serben mit russichen Unterstützung. Ein militärisches Dokument beschrieb, was nunmehr die konstante deutsche Politik im Balkan geworden ist: „uns der griechischen, albanischen und mohammedanischen Elemente zu unserem Vorteil zu bedienen und diese Stämme gegen die südslawischen auszuspielen“ (zitiert in Klaus Thörner „Divide et impera!“ Jungle Welt, 14. April). Die Berliner Konferenz 1878 unter Bismarcks Regie etablierte Serbien, Montenegro, Rumänien und Bulgarien als von Deutschland wirtschaftlich abhängigen Kleinstaaten. 

In ähnlicher Weise im Balkankrieg 1912 wurden die Länder des Balkanbunds von Rußland gegen das Osmanische Reich gestützt. In der anschließenden Friedenskonferenz aber versuchten Deutschland und Österreich eine Erweiterung Serbiens zu verhindern. Albanien wurde als ein Pufferstaat errichtet, sogar mit einem deutschen Fürsten. Als nach dem Attentat eines serbischen Nationalists auf Erzherzog Ferdinand in Sarajewo der ersten Weltkrieg ausbrach, erklärte der deutsche Kaiser, „bei den Slawen, muß per divide et impera vorgegangen werden“ (die römische imperiale Politik von teilen und herrschen). Die „Slawen seien nicht zum Herrschen geboren, sondern zum Dienen“, fügte er hinzu. Wenn Serbien nicht kapitulieren würde, „so wird Belgrad bombardiert und so lange okkupiert, bis der Wille seiner Majestät erfüllt ist.“ Wie 1991 und wie heute, spielten die Sozialdemokraten eine besonders verräterische Rolle. „Die Losung ,Serbien Muß Sterbien‘, erstmals von der Arbeiterzeitung, dem Zentralorgan der deutschen Sozialdemokratie Österreichs, gereimt, fand in Deutsch land krachenden Widerhall“ (Ralph Hartmann, „Die ehrlichen Makler“. Die deutsche Außenpolitik und der Bürgerkrieg in Jugoslawien. Eine Bilanz [1998]).

Nach Deutschlands Niederlage im imperialistischen Weltkrieg und der Zerschlagung von versuchten Arbeiterrevolutionen 1918 und 1923, war die Weimarer Republik zu schwach, um vieles im Balkan zu erreichen. Mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise und den daraus folgende Handelskriegen aber wendeten sich die deutsche Regierung und die deutschen Kapitalisten in Richtung Südosteuropa um unerläßliche Ressourcen zu sichern, und dies sogar bevor Hitler an die Macht kam. Unter dem Nazi-Regime führte ein „Clearing-“ (Verrechnung) System von Handelsquoten und Preisgarantien dazu, daß der deutsche Anteil an jugoslawischen Einfuhren von 18 Prozent 1934 auf 55 Prozent 1940 (nach dem Anschluß Österreichs) anstieg (Johann Wuescht, Jugoslawien und das Dritte Reich [1956]). Die Lage war in Bulgarien und Rumänien ähnlich.

Im Frühjahr 1941 rechnete Hitler, er könnte Jugoslawiens Eintritt in den Dreimächtepakt zwingen. Als dies jedoch zu einem Volksaufstand führte, entfesselte Nazi-Deutschland einen Blitzkrieg gegen Jugoslawien. Er fing mit dem Osternbombenangriff auf Belgrad an. Hitler gab die Befehl „Jugoslawien ... als Staatsgebilde zu zerschlagen“. In seinem Tagebucheintrag für den 7. April 1941 gab Nazipropagandaminister Joseph Goebbels Richtlinien für Propaganda mit: „Kroaten: steicheln! Autonomie... Spitze gegen Serben. Vor allem bezüglich der Kroaten, Haß gegen Serben schüren“. Hitler errichtet einen klerikalfaschistischen „Freistaat“ in Kroatien und riet dem von Anfang an pro österreichischen Ustasha-Führer Pavelic eine „national-intoleranten Politik zur Verminderung der verhältnismäßig starken serbischen Minderheit in Kroatien“ 50 Jahre lang zu verfolgen. Dies ist genau das, was das kroatische Regime von Pavelic-Bewunderer Tudjman mit deutschen Waffen und amerikanischen Beratern getan hat. 

Während des Kriegs wurde ein großer Teil Kosovos aus dem deutsch-besetzten Serbien ausgegliedert und an Albanien angeschlossen. Albanien wiederum war ein italienisches Protektorat. Als Italien sich 1943 ergab, besetzte die Wehrmacht auch Albanien. Um die jugoslawischen Partisanen zu bekämpfen, rekrutierte Himmler eine albanische Waffen-SS Gebirgsjägereinheit, die Skander-Beg-Division, die im Prizren in Kosovo ihre Hauptquartier hatte. Interessanterweise, sollte ein gewisser Kurt Waldheim, der zukünftige Präsident Österreichs und Generalsekretär der Vereinten Nationen, die albanischen Einsatzgruppen der Wehrmacht im Auge behalten. Damals war er militärische Aufklärungsoffizier (Ic) der Armeegruppe E in Tessaloniki, verantwortlich für die ganze Südbalkanregion. Sein Kommandant erteilte folgenden Befehl: „Keine Liquidierung der Albaner in deutschen Konzentrationslagern wegen der ausgezeichneten Haltung von albanischen Einheiten auf der Ostfront“ (International Commission of Historians, The Waldheim Report [1993]).

Zerschlagt den Imperialismus durch 
internationale sozialistische Revolution!

So ist es klar, daß die Politik, Jugoslawien zu zersplittern, eine Konstante des deutschen Imperialismus im 20. Jahrhhundert gewesen ist. Während deutsche und amerikanische kapitalistische Herrscher im Krieg gegen Jugoslawien verbunden sind, unterscheiden sich ihre Ziele. Die USA wollen ihre Rolle als imperialistische Vorherrscher verstärken. Sie versuchen  dabei insbesondere, ihre deutschen und anderen europäischen imperialistischen Verbündeten/Rivalen unter Kontrolle zu halten. Deutschland ist mehr an regionaler Vorherrschaft interessiert, einschließlich der Kontrolle über Rohstoffe (wie Eisen- und Chrombergwerke im nördlichen Kosovo), landwirtschaftliche Produkte und Märkte, so wie es in Naumanns Verteidigungspolitikrichtlinien beschrieben ist. Diejenigen, die im Namen von Deutschlands Großmachtinteressen gegen den Krieg Stellung nehmen, schlagen einfach ein wirksameres Mittel für imperialistische Vorherrschaft über die Region vor. Dies ist ziemlich explizit unter manchen im PDS-Milieu, die deutsche Politik in Richtung eines langfristigen Bündnisses mit dem kapitalistischen Rußland verändern wollen (wobei ihre frühere Verbindungen zur UdSSR lukrativ wären).

An einen Admiral Schmähling (ehemaligen Chef des MAD) zu appellieren um die Opposition gegen den Krieg zu führen, gleicht einem Appell an Nazi-Abwehr-Chef Admiral Canaris, sich gegen Hitler zu stellen. Aufrufe für „Frieden“ innerhalb des kapitalistischen Systems bedeuten nur die Verschiebung militärischer Konflikte. Aber imperialistische „Friedenspolitik“ (wie anfangs von der „rot-grünen“ Koalition verkündet) wird zu einem späteren Datum Kriegspolitik. Um das imperialistisch-kapitalistische System zu bekämpfen, das zu zwei Weltkriegen in diesem Jahrhundert und unzähligen Lokal- und Regionalkriegen geführt hat, ist es notwendig, die Macht der Arbeiterklasse zu mobilisieren. Selbst nach großen Entlassungen, von Stahlbetrieben  im Ruhr bis zu Autofabriken im Süden und den Nord- und Ostseehäfen, hat Deutschland eines des stärksten industriellen Proletariate auf dem Planeten. Aber seine potentielle Stärke muß auf einer revolutionären Klassenbasis mobilisiert werden. 

Selbst jene „Antikriegs“-Gruppen und Personen, die sich nicht direkt auf deutsche nationale Interessen rufen, bauen ihre Opposition darauf, die angeblichen Regeln des gegenwärtigen kapitalistischen Systems durchzusetzen. Viele der Antikriegsappelle basieren auf der Klausel im Grundgesetz, wonach es illegal ist, einen Angriffskrieg zu unternehmen. Diese Art von leeren Prinzipien schmückt viele bürgerliche Verfassungen, und bedeutet überhaupt nichts. Dasselbe bundesdeutsche Grundgesetz garantiert die Vollbeschäftigung, aber Deutschland hat jetzt Millionen von Arbeitslosen, so viele wie am Vorabend der Machtübernahme der Nazis. Solche Appelle sollen angeblich ein Mittel sein, um breite Unterstützung zu finden indem man sich auf ein angebliches rechtliches Verbot stützt. Dies wird die Massen aber nur betrügen, indem man ihnen vortäuscht, daß sie den Krieg durch solche Mittel bekämpfen können. In der Praxis bedeutet es, dieselben Bundesrichter in Karlsruhe heranzuziehen, die das Einsperren von früheren DDR-Oberen und die Abschiebung von Zehntausenden von Kurden gutgeheißen haben.

Appelle an die Fiktion des „Völkerrechts“ und an die Vereinten Nationen, wie in einem Aufruf Berliner Gewerkschafter am 3. April, sind auch gefährlich. Die UNO diente als ein Deckmantel für imperialistische Angriffe in Korea sowie im Kongo. Diese Höhle imperialistischer Räuber bereitete den Weg zum persischen Golfkrieg mit seinen Sanktionen vor. Sie versucht weiterhin den Irak zu unterjochen, was zum Tode von Hunderttausenden von Irakern geführt hat. Andere heben hervor, daß die NATO eine „souveräne Nation“ angegriffen hat. General Naumann, Kanzler Schröder und Präsident Clinton haben klar gemacht, daß sie bereit (und sogar scharf darauf) sind, auf der Souveränität kleiner Nationen herumzutrampeln. Aber was soll Souveränität heißen – es ist das Recht nationalen Herrscher auf exklusive Kontrolle über „ihr“ Territorium. Durch die Behauptung, serbische „Souveränität“ zu bewahren, haben Miloševic & Co. jahrelang das Recht der großen albanischen Mehrheit auf Unabhängigkeit geleugnet. Marxisten verteidigen das Recht auf Selbstbestimmung von Nationen und Nationalitäten, aber sie kämpfen um die unbeschränkte Vorherrschaft von der Arbeiterklasse durch einen proletarischen Staat. 

Der Appell der Berliner Gewerkschafter fordert „eine Rückkehr zu Verhandlungen“. Aber die „Verhandlungen“ in Rambouillet waren eben keine, sondern nur ein imperialistisches Diktat. Der NATO-Entwurf enthielt das Recht von NATO-Truppen, überall in Jugsolawien hinzugehen und sich zu stationieren, auf Kosten der jugoslawischen Regierung. Dies würde nicht nur ein Kolonialprotektorat in Kosovo, sondern überall im Land einführen. Revolutionäre Marxisten fordern: BRD/USA/UNO/NATO raus aus dem Balkan und bleibt draußen! Die Hauptfrage im Krieg gegen Jugoslawien ist die Frage des Imperialismus und der Kampf, um ihn zu zerschlagen. In einer Diskussion über Lateinamerika in den 30er Jahren stellte der bolschewistische Revolutionär Leo Trotzki die Frage, wo Revolutionäre in einem militärischen Konflikt zwischen England und Brasilien stehen sollten. Er antwortete:

 „Ich frage Sie, auf welcher Seite wird die Arbeiterklasse stehen in diesem Konflikt? Ich werde dazu meine persönliche Standpunkt darlegen: In diesem Fall werde ich auf der Seite des ,faschistischen‘ Brasilien gegen das ,demokratisches‘ Großbritannien sein. Warum? Weil es in dem Konflikt zwischen ihnen nicht um eine Frage von Demokratie oder Faschismus gehen wird. Wenn England siegreich sein solle, wird es in Rio de Janeiro einen anderen Faschisten einsetzen und Brasilien doppele Ketten auferlegen.“
 –„Anti-imperialistischer Kampf ist der Schlüssel zur Befreiung“ (September 1938)
Es ist nicht schwer zu begreifen, was heute in Kosovo geschehen würde, sollten die NATO-Imperialisten die jugoslawische Armee besiegen und Serbien unterjochen. Es würde sicher zur unmittelbaren „ethnischen Säuberung“ der Serben aus Kosovo führen, und irgendein anderer nationalistischer Schlächter würde an der Stelle der gegenwärtigen Herrscher installiert. 

Heute ist es entscheidend, klare Stellung nicht nur gegen die Bombenangriffe, sondern für die Verteidigung von Jugoslawien, für die Niederlage des vom deutschen und US- Imperialismus geführten NATO-Angriffs und für die Mobilisierung der Arbeiterklasse auf der Basis eines revolutionären Programms zu nehmen. Als einen ersten  Schritt rufen wir zu Arbeiteraktionen auf, um den Transport von Kriegsmaterialien auf Zügen, Lastwagen, durch Luft oder in den Häfen zu blockieren. Die Aktion von griechischen Eisenbahnern, die sich weigerten, Kriegsmaterial der NATO zu transportieren, sollten andere Taten ermütigen. Aber was ganz dringend erforderlich ist, ist der Aufbau einer revolutionären Partei wie die der Bolschewiki, die im Kampf gegen den ersten imperialistischen Weltkrieg geschmiedet wurde. Solch eine Partei würde ihren Kampf gegen den Krieg nicht auf Appelle an bürgerliche Politiker, sondern auf Aufrufe für internationalen Kampf der Arbeiterklasse basieren.

Es wird keine „multiethnische Demokratie“ in Jugoslawien geben. Die neuen kapitalistischen Staaten hier werden auf der Basis des Anschürens von virulentem nationalem Haß gebaut. Ihnen fehlt Kapital und jede Möglichkeit, ihrer Bevölkerung adäquate Lebensbedingungen zu liefern. Was im letzten Jahrzehnt im früheren Jugoslawien geschehen ist, ist nicht das Ergebnis des „uralten nationalen Hasses”, sondern einer absichtlich aufgeschürten chauvinistischen Hysterie konterrevolutionärer Kräfte. Der einzige Weg, sie zu besiegen, ist durch den Kampf für Arbeiterrevolution. Dies wäre die Basis für echte Gleichheit und Bruderschaft im Rahmen einer sozialisierten Planwirtschaft in einem Staat der auf Arbeiterräten basiert. Um diesen Staat zu führen und den Kampf dafür zu leiten, müssen leninistisch-trotzkistische Parteien aufgebaut werden auf dem Programm der sozialistischen Weltrevolution. Dieses Programm wurde durch die Kommunistische (III.) Internationale in ihren ersten  Jahren verkörpert und von Trotzkis IV. Internationale weitergeführt. Die Liga für die IV. Internationale und ihre Sektionen versuchen solche Partei aufzubauen. Wir greifen ein, um das revolutionäre Programm und Bewußtsein in jeden größeren Kampf der Arbeiter und Unterdrückten einbringen, sei es der Kampf gegen Polizeibrutalität, sei es die Verteidigung von Immigranten, sei es der Kampf gegen den imperialistischen Krieg.

 –nach The Internationalist Nr. 7 (leicht gekürzt), April/Mai 1999 


Um mit der Liga für die IV. Internationale Kontakt aufzunehmen, schickt ein e-mail an: internationalistgroup@msn.com 

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