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  November 2019

Nieder mit der stalinistischen Ausgrenzung!

Für proletarische Opposition
gegen den Putsch in Bolivien


Demonstrantin mit der Wiphala, die Fahne der indigenen Völker Boliviens, die von den Putschisten verbrannt wird, als Militärs den Eingang zu La Paz blockieren.  (Foto: Natacha Pisarenko / AP)

Am Sonntag, den 10. November, fand in Bolivien ein Staatsstreich unter der Führung rechtsextremer Kräfte statt, der von Polizei und Militär ausgelöst wurde und den Präsidenten Evo Morales verdrängte. Die Internationalistische Gruppe (IG), deutsche Sektion der Liga für die Vierte Internationale (LVI), hat sich den Protesten gegen diesen Putsch im Rahmen der internationalen Mobilisierung der Sektionen der LVI angeschlossen.

Der „zivil-militärisch-polizeiliche“ Putsch wurde von ultra-rechten und sogar faschistischen Elementen angestiftet, deren Führer kniend vor der Bibel fotografiert wurden, die nach dem Staatsstreich auf der bolivianischen Flagge im Parlament lag. Angeführt von der ultra-reaktionären bürgerlichen Elite der ostbolivianischen Stadt Santa Cruz, ist diese religiöse Rechte bösartig rassistisch gegenüber den indigenen Völkern, die eine große Mehrheit der Bevölkerung des Landes darstellen und die die Hauptbasis von Morales‘ populistischer Movimiento al Socialismo (MAS –  Bewegung zum Sozialismus) bilden.

Der rassistische Charakter des Putsches wurde durch Videos unterstrichen, die Putschisten zeigten, wie sie die Wiphala verbrannten, die bunte Flagge, die die multiethnische Bevölkerung repräsentiert und die 2009 zur gleichberechtigten offiziellen Flagge der Plurinationalen Republik Bolivien erklärt wurde. Die Angriffe auf die Wiphala lösten Märsche von Tausenden von empörten Indianern aus, von El Alto bis La Paz und in Cochabamba, der Heimat von Morales. Dort wurden sie von Militärstreitkräften niedergemäht, die mindestens neun Tote und viele Verwundete zurückließen. Die „Übergangsregierung“ hat nun mit einem Dekret, das das Militär von jeglicher Verantwortung für solche Verbrechen befreit, grünes Licht für weitere Massaker gegeben.

Die Proklamation der Putschisten, die die ultra-rassistische Jeanine Áñez zur „Präsidentin“ erklärte, wird von Washington als erster Schritt zur Machtergreifung in Venezuela gefeiert. Diejenigen Kräfte (einschließlich des Chefs der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), der Morales des Wahlbetrugs beschuldigte, und Spitzenbeamter der imperialistischen Europäischen Union, die sich bereit erklärten, zu „vermitteln“), die vorgeben, dass dies alles andere als ein Staatsstreich sei, sind in Wirklichkeit Komplizen dieser rassistischen Machtergreifung und des US-Imperialismus, der bis zum Hals in dieser Verschwörung steckt. Die LVI betonte dies mit ihrer Forderung „Yankee-Imperialismus raus aus Bolivien und Lateinamerika!“.

Am Mittwoch, dem 13. November, nahmen Mitglieder der Internationalistischen Gruppe an einem Protest der Anti-NATO-Gruppe Berlin-Brandenburg vor der bolivianischen Botschaft in Berlin teil, um sich gegen den rechtsgerichteten Putsch in Bolivien zu stellen. IG-Unterstützer forderten auf Plakaten „Bolivianische Arbeiter: Zerschlagt den Coup!“ und „Für Selbstverteidigung der Arbeiter, Bauern und Indianer gegen rassistische rechte Angriffe“ und riefen auf, dem Putsch mit einer revolutionären Arbeiterpolitik entgegenzutreten, die von allen bürgerlichen Parteien, einschließlich der MAS, unabhängig sei. Die IG forderte die bedingungslose Verteidigung von allen die sich dem Putsch widersetzen, einschließlich der Mitglieder der MAS, gegen die Angriffe der Putschisten.

Bei diesem Protest sind Mitglieder der Anti-NATO-Gruppe, die mit der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) verbunden sind, sofort auf die IG-Unterstützer drohend zugekommen, beschuldigten sie, Gegenprotestierer zur Unterstützung des Putsches zu sein, und versuchten, sie von der Demonstration zu entfernen. Dies war ein bewusster Schritt, Trotzkisten auszuschließen, die sich dem Putsch mit proletarisch-internationalistischer statt bürgerlich-nationalistischer Politik widersetzen. Die IG-Unterstützer wurden physisch von der Demonstration ausgeschlossen, unter verleumderischen Anschuldigungen, Rassisten zu sein, weil wir der MAS keine politische Unterstützung geben – eine besonders üble Verleumdung angesichts unserer Forderungen für Selbstverteidigung der Arbeiter, Bauern und Indianer sowie für eine Arbeiter-Bauern-Indianer Regierung.

Auf einer anschließenden Demonstration gegen den Staatsstreich in Bolivien, die am Samstag, den 16. November, vor dem Brandenburger Tor stattfand, traten Mitglieder der Anti-NATO-Gruppe und der DKP erneut an das IG-Kontingent heran, um zu sagen, dass sie zu dem öffentlich angekündigten Protest „nicht willkommen“ seien. Ein sich selbst als Organisator der Demonstration beschreibendes Mitglied der Gruppe begann, die Mitglieder des IG-Kontingents physisch von der Demo wegzudrängen und drohte mehrmals, die Polizei zu rufen, wenn sie das Areal nicht verlassen würden.


Die trotzkistische IG wird von Stalinisten bei Berliner Demo gegen den Putsch in Bolivien verleumdet und verdrängt, als wir gegen die Putschisten für eine revolutionäre Arbeiter-Bauern-Indianer Regierung aufrufen. 
(Foto: Janis Garnet)

Nach viel Schubsen und Schreien seitens der Organisatoren wurde das IG-Kontingent an die Seite des Protestes gedrängt, während wir unser revolutionäres Programm zur Niederschlagung des Putsches Zuschauern erklärten und unsere Flugblätter verteilten. Ein Mitglied der Gruppe, die die Demonstration organisierte, entriss diese Flugblätter den Händen eines IG-Unterstützers und zerriss sie. Dieser Zensurakt der Organisatoren der Demonstration, der zu einer polizeilichen Intervention einlud, setzte tatsächlich alle anwesenden Mitglieder der Linken, ganz zu schweigen von all jenen ohne deutsche Staatsbürgerschaft, der bürgerlichen staatlichen Repression aus.

Diese Episode ist nur ein weiteres Beispiel für zynische Klassenkollaboration. Die Organisatoren sind angeblich gegen die NATO, aber sie scheuen sich nicht, zur Polizei der deutschen Bourgeoisie zu laufen – zu der nicht wenige echte Faschisten gehören –, um andere linke Gruppen von ihren Veranstaltungen auszuschließen. Sie rechtfertigten dies damit, dass dies nicht der Zeitpunkt für eine Kritik an der MAS sei. Aber sie forderten nicht die Einheit in der Aktion gegen den Putsch, sondern die politische Unterstützung der abgesetzten Regierung. Immer sind sie gegen eine linke Opposition zu den bürgerlichen Nationalisten. Die Art von „Einheit“, die diese Stalinisten wollen, ist eine Volksfront; das heißt, die Arbeiterklasse an die Bourgeoisie zu binden.

Solche volksfrontlerische und populistische Politik ist genau das, was den Weg zu Putschen eröffnet. Die Unterwerfung von Evo Morales und seinem Vizepräsidenten Álvaro García Linera unter das Diktat der OAS, auch bekannt als „Yankee Ministerium für die Kolonien“, zeigt, welche Gefahr dies für die Unterdrückten darstellt. Die Anhänger der MAS wurden von ihren Führern im Stich gelassen. Und obwohl Evo breite Unterstützung unter der indigenen Bevölkerung Boliviens genießt, hat er auch Kämpfe der Arbeiter angegriffen, so bei seiner Repression gegen die Mobilisierung von Bergarbeitern, Fabrikarbeitern und Angestellten im Gesundheits- und Bildungssektor im Jahr 2013.

In der Tat predigte Morales seit seinem Amtsantritt 2006 eine verräterische „Einheit“ mit Militär und Polizei. Bei seiner Ankunft im Exil in Mexiko betonte er, dass er der Polizei 25 Hubschrauber zur Verfügung gestellt hatte, wo sie zuvor nur einen hatte, und diese Hubschrauber schießen nun auf indianische Demonstranten. Und während Morales mit dem Internationalen Währungsfonds brach, brach er in keiner Weise mit dem Kapitalismus (García Linera rief zum „Kapitalismus der Anden“ auf).

Darüber hinaus suchte der bolivianische Präsident angesichts der Feindseligkeit des US-Imperialismus Unterstützung bei anderen Imperialisten. Insbesondere schloss er mit einem deutschen Unternehmen ACI Systems (ACISA), das von der Regierung von Angela Merkel unterstützt wurde, einen Vertrag über den Bau einer zu 51% im staatlichen Besitz befindlichen Batteriefabrik zur industriellen Nutzung von Lithium, diesem wesentlichen Metall, von dem Bolivien die größten Vorräte der Welt besitzt. Unter dem Druck der Rechten (die eine private Fabrik wollten, damit sie sich von den Lizenzgebühren ernähren könnten), kündigte Morales am Vorabend des Putsches an, dass er den Vertrag aufkündige.

Gegen die rechtsextremen Massenmörder ist eine Rückkehr zur populistischen Politik, die sie erst hervorgebracht hat, kein Ausweg. Die Liga für die Vierte Internationale steht für eine revolutionäre klassenkämpferische Politik, gegen die Klassenkollaboration der Volksfront. Der Putsch stellt eine Bedrohung für Arbeiter, Bauern und die indigenen Völker dar. Um die ultra-rechte „Übergangsregierung“ zu zerschlagen, ist es notwendig, für die sozialistische Revolution zu kämpfen, die von einer leninistisch-trotzkistischen Avantgardepartei angeführt wird und sich von den halbkolonialen Ländern bis zu den imperialistischen Zentren ausweitet.

–Internationalistische Gruppe, deutsche Sektion der Liga für die Vierte Internationale

Berlin, 20. November 2019