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  Sommer 2017

Die Flüchtlingskrise und kapitalistische Barbarei

Fluechtlingskrise
Überfülltes Flüchtlingsboot kentert vor Libyen, 25. Mai 2015. Allein in der letzten Maiwoche 2016 ertranken über 1000 Migranten im Mittelmeer.  (Foto: Marina Militare Italiana)

Nieder mit der rassistischen Festung Europa!

Volle Staatsbürgerrechte für alle Immigranten!

Seit letztem Jahr ist der einseitige Weltkrieg gegen Flüchtlinge noch weiter eskaliert – von der Grenze USA-Mexiko, über Australien, die Küsten von Rotem Meer und Mittelmeer, bis zum Ärmelkanal. Der kurze „Willkommenssommer“ für Flüchtlinge in Deutschland ist lange vorbei, und der Versuch, die ökonomisch „nützlichen“ Fachkräfte unter den syrischen Flüchtlingen herausfiltern ist verebbt, ausgestochen durch ähnliche Bemühungen der Türkei, die näher an der Quelle ist. Gleichzeitig ist die Zahl rassistischer Angriffe auf Flüchtlinge in Deutschland massiv angestiegen – mehr als 3 500 waren es im vergangenen Jahr, selbst nach Angaben des Bundesinnenministeriums. Die Symbiose zwischen staatlichen Stellen und faschistischen Banden ist natürlich ein offenes Geheimnis, spätestens seit der NSU-Affäre. Der bürgerliche Konsens, der sich auch weit in die Linkspartei erstreckt und ihre Sprecherin Wagenknecht beinhaltet, ist, dass die Rassisten der „Stimme des Volkes“ Ausdruck verleihen, und unappetitlicher Weise besänftigt werden müssen. Die unaufhörliche antimuslimische Propaganda deckt Angriffe gegen ein ganzes Spektrum von Flüchtlingen und Einwanderern ab, einschließlich Menschen vom Balkan oder aus Schwarzafrika, egal welcher Religion.

Während die Balkanroute blockiert ist und viele Flüchtlinge unter sich verschlechternden Bedingungen auf griechischen Inseln festsitzen, bleibt die Mittelmeerroute nach Italien eine wichtige Front in diesem ungleichen Krieg. Obwohl die Zahl der Flüchtlinge abgenommen hat, hat sich die Anzahl der Ertrunkenen letztes Jahr verdreifacht. Auch die Verzweiflung hat sich vergrößert, da die libyschen Flüchtlingslager Höllenlöcher sind. Die islamistischen reaktionären Banden, die dort Amok laufen seit die Imperialisten das Gaddafi-Regime gestürzt haben, haben für afrikanische Flüchtlinge de-facto-Sklaverei eingeführt.

Rassistische Angriffe auf Flüchtlinge sind immer die Speerspitze umfassender reaktionärer Angriffe auf die gesamte Arbeiterklasse und die demokratischen Rechte der ganzen Bevölkerung. Der nachfolgende Artikel ist der Leitartikel der ersten Ausgabe von L'internazionalista (September 2016), Zeitung unserer italienischen Genossen. Er analysiert die politischen Aufgaben der Arbeiterklasse in der Flüchtlingskrise und argumentiert für den Aufbau einer unnachgiebigen revolutionären Führung, um im Geiste von Trotzkis Übergangsprogramm den Kampf für Immigrantenrechte mit dem Kampf zum Sturz des kapitalistischen Systems zu verbinden.

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Die schrecklichen Bilder von leblosen Körpern entlang der Küsten und im Meer, von altersschwachen behelfsmäßigen Schiffen (Todesfallen vollgestopft mit Menschen wie Sardinen in der Dose), die ziellos auf dem Meer treiben, von traumatisierten erschöpften Überlebenden die den Verlust geliebter Menschen beweinen, haben die europäische Flüchtlingskrise ins Rampenlicht geholt. Unzählige andere sterben lautlos an Kälte, Hunger und Krankheit an abgelegenen Orten oder in Notunterkünften. Nach offiziellen (sicherlich grob unterschätzten) Angaben starben über 3 700 Migranten beim Überqueren des Mittelmeers im Jahr 2015, und mehr als 2 500 in den ersten fünf Monaten des Jahres 2016. Mehr als 1 000 ertranken allein in der letzten Maiwoche 2016. Gleichzeitig erreichten etwa 66 000 Immigranten Italien in der ersten Hälfte von 2016, darunter mehr als 10 000 in den letzten Junitagen.

Der massive Zufluss von verzweifelten Flüchtlingen und Einwanderern nach Europa ist das Ergebnis sowohl der imperialistischen Verwüstung des Nahen Ostens, Afrikas und Teilen Asiens, als auch des Vermächtnisses von über einem Jahrhundert von brutaler kolonialer/semi-kolonialer Herrschaft und wirtschaftlicher Vergewaltigung. Die imperialistischen Eroberungskriege, die massive Zerstörung und die Massaker in Afghanistan, Irak, Libyen und Syrien zwangen Millionen dazu, ihr Zuhause (so noch existent) zu verlassen und auszuwandern. In Syrien, ein Land mit knapp über 20 Millionen Einwohnern, mussten 12 Millionen fliehen, 8 Millionen innerhalb Syriens und 4 Millionen ins Ausland.

Italien spielte eine wichtige Rolle in den imperialistischen Kriegen im Irak, in Afghanistan und Libyen. Die massive Bombardierung Libyens 2011 durch NATO-Kampfflugzeuge, die von italienischen Basen operierten, zerstörte die gesamte industrielle Infrastruktur und Libyen an sich als lebensfähiges Land. Auch heute noch erreicht das nordafrikanische Land nur etwa ein Viertel der Erdölexporte von vor 2011. Der italienische Imperialismus eroberte und versklavte Libyen als Kolonie von 1911 bis 1931, sowohl vor als auch während des faschistischen Mussolini-Regimes, und brachte über 200 000 Menschen um. Es gab schreckliche Gräueltaten in Konzentrationslagern wie El Agheila. (Siehe Eric Salerno, Genocidio in Libia[Völkermord in Libyen] über das Ausmaß der Verbrechen des italienischen Imperialismus in Libyen.)

Die Reaktion der Länder der Europäischen Union (EU) auf den Strom von Flüchtlingen war der Bau von Zäunen, um sie draußen zu halten, wie es in Bulgarien, Griechenland, Ungarn, Slowenien und der Türkei gemacht wurde. ­Sicherheitsmaßnahmen an den Grenzen wurde verstärkt und der Mittelmeerraum wurde stark militarisiert. Tausende werden in Internierungslagern (bekannt in Italien unter dem deutschen Wort Lager) festgehalten. Außerdem haben die imperialistischen Herrscher Abschiebegesetze erlassen und Deportationsvereinbarungen mit anderen Ländern unterzeichnet. All das wird begleitet von rassistischer Demagogie über eine ausländische „Invasion“, Verbreitung von Hysterie über einsickernde „Terroristen“, schäumendem antimuslimischem Fanatismus und Geseier über die Verteidigung der europäischen christlichen Kultur.

Die Bourgeoisien der EU, wie die aller kapitalistischer Länder, wollen Einwanderung kontrollieren, so dass nur diejenigen reinkommen, die potenziell nützlich sind um Profite zu generieren. Der Rest wird kurzerhand zurückgewiesen, ohne einen Gedanken an ihr wahrscheinlich elendes Schicksal zu verschwenden. Die Bosse wollen nur Menschen mit nützlichen Qualifikationen sowie eine bestimmte Anzahl von entrechteten prekären Arbeitern, die unter sklavenähnlichen Bedingungen ausgebeutet werden können. In Italien arbeiten diese brutal unterdrückten Arbeiter (in der Regel ohne rechtlichen Status) oft 10 oder 12 Stunden in der Landwirtschaft unter den wachsamen Augen der bewaffneten Banden von Vorarbeitern, den Caporali, für erbärmliche 10 bis 30 Euro am Tag. Dann kehren sie in überfüllte Baracken ohne Strom oder Heizung zurück, unter unhygienischen Bedingungen, von denen sie oft weite Strecken zurücklegen müssen, nur um Trinkwasser zu erhalten.

Militarisiertes Immigrations„management“ für Profit

Am 3. Oktober 2013 sank ein Flüchtlingsboot, das aus dem libyschen Hafen in Misrata kam, direkt vor dem Hafen der Insel Lampedusa, wobei 366 Menschen starben. In Reaktion auf die Welle der Empörung hat die italienische Regierung die Operation Mare Nostrum gestartet, womit sie sich den Anspruch des römischen Reiches zueigen macht, dass das Mittelmeer „unser Meer“ sei. Angekündigt als eine „militärische humanitäre“ Mission, wurden tatsächlich einige zehntausend Migranten auf See gerettet, aber das war nicht ihr Zweck. In Verbindung mit Frontex, der Immigrations“management“-Agentur der EU, sollte Mare Nostrum Flüchtlingsboote finden und sie in die rassistische Hölle Libyens zurückzwingen. Im Januar 2014 hat im Rahmen dieser Operation das italienische Marineschiff Aliseo mit Maschinengewehren ein Boot versenkt (nachdem die 176 Flüchtlinge an Bord aufgenommen wurden). Aber auch dieses Rinnsal war den europäischen imperialistischen Herrscher noch zu viel, so dass nach weniger als einem Jahr Mare Nostrum durch die Operation Triton ersetzt wurde, die von Frontex direkt durchgeführt wird.

Anschließend startete ein Jahr später im Mai 2015 die EU-Operation EUNAVFOR MED, die unter Leitung des italienischen Imperialismus, mit Sitz in Rom, den militärischen Einflussbereich der imperialistischen EU-Länder erweitern soll, auch in die Hoheitsgewässer nordafrikanischer Länder. Ihr angegebener Zweck ist es „das Geschäftsmodell der Menschenschmuggel- und Menschenhandels-Netzwerke im Mittelmeer zu stören“ und „die EU-Außengrenzen zu stärken“. Im Gegensatz zum ständigen Gerede des italienischen Premierministers Matteo Renzi über das „Retten von Leben“, handelt es sich um eine offensive militärische Operation, auch wenn es gelegentliche Rettungen aus PR-Gründen gibt. Viele italienische Fischer sind vorsichtig was das Retten von Flüchtlingen betrifft, aus Angst vor der Beschlagnahme ihrer Boote, dem Verlust von Arbeitstagen, und der Aussicht auf mögliche Strafanzeigen wegen der Unterstützung „illegaler“ Migranten – dennoch tun es viele mutiger Weise trotzdem, und zahlreiche Bewohner der Insel Lampedusa haben Flüchtlinge als Gäste aufgenommen.

EUNAVFOR MED soll das stoppen. Das ist der italienischen Bourgeoisie besonders wichtig, weil sie befürchtet, dass mit der weitgehenden Schließung der Balkanroute durch das jüngste EU-­Türkei-Abkommen, viele verzweifelte Flücht­linge gezwungen sind, die weitaus gefährlichere Libyen-Italien-Route über das Meer zu versuchen. Entsprechend wird EUNAVFOR unterstützt durch das pan-europäische Grenzüberwachungssystem EUSUR, und verbunden mit einem vorgeschlagenen EU-Grenzschutzsystem und dem „Einsatz neuer Technologien“.

Sobald Flüchtlinge in Italien ankommen, erwartet sie ein aufwendiges bürokratisches Labyrinth. Die Bourgeoisien von Italien und der ganzen EU haben sich auf massenhafte Inhaftierung und Abschiebung von Flüchtlingen verlegt. In Italien gibt es derzeit fünf Zentren für Identifikation und Abschiebung (CIE), deren Insassen sofort abgeschoben werden sollen, und neun „Auffangzentren“ (CDA) und „Aufnahmezentren für Asylbewerber“ (CARA). Obwohl es Unterschiede gibt, sind sie in Wirklichkeit alle Haftanstalten für Einwanderer und Flüchtlinge. Darüber hinaus gibt es 1 800 „vorläufige“ Einrichtungen um Flüchtlinge einzusperren. Diese Sammellager werden zur Identifikation genutzt, einschließlich der Zwangsabnahme von Fingerabdrücken, sowie zur Inhaftierung und Abschiebung. 2011 gab es Revolten von Einwanderern die ihre Freilassung forderten, sowohl in einem Lager auf Lampedusa das niedergebrannt wurde, und in Pozzallo, wo sie in einem riesigen Hangar festgehalten wurden. Die italienische Regierung plant, 2016 die Kapazitäten der Haftanstalten für Flüchtlinge von 100 000 auf 150 000 zu erweitern.

Die Flüchtlinge werden gefangen gehalten, ohne den Grund zu kennen, und oft ohne eine Ahnung davon zu haben, was mit ihnen geschieht. Sie haben in der Regel keinen Zugang zu Übersetzern oder rechtlichem Beistand. Viele haben eine „foglio di soggiorno“ (befristete Aufenthaltsgenehmigung), sind aber trotzdem in Haft, sogar wenn sie nur Touristen sind. Rechtsanwälte, Journalisten und Hilfsorganisationen wird der Zugang zu diesen Gefängnissen routinemäßig verwehrt. Jeder Insasse, der die Situation bemängelt, ist den in allen Lagern üblichen Repressalien ausgesetzt, einschließlich körperlicher Misshandlung. Diese Zentren werden in der Regel von privaten Gesellschaften verwaltet und an den billigsten Anbieter vergeben. In Rom wurde Ende 2014 der „Mafia-Capitale“-Skandal um das CARA in Catania (Sizilien) öffentlich, das von Massimo Carminati geführt wurde, einem ehemaligen Mitglied der faschistischen Terrororganisation NAR. Abgehörte Telefonate entlarvten einen von Carminatis Mitarbeitern, Salva Buzzi, der sagte: „Haben Sie eine Vorstellung davon, wie viel ich an den Immigranten verdiene? Drogenhandel ist weniger profitabel“ (zitiert nach Marco Pascuiti „Mafia Capitale“, Il Fatto Quotidiano, 22. Dezember 2014).

Auch wenn Flüchtlinge in der Theorie das Recht haben zum nächsten „sicheren“ Hafen gebracht zu werden und politisches Asyl zu beantragen, passiert das in der Praxis selten. Italien unterzeichnete Vereinbarungen 2007 mit Tunesien und 2011 mit Ägypten, sowie auch mit Libyen, die auf gewaltsame Massenabschiebungen von Flüchtlingen in ihre Ursprungsländer hinauslaufen, was auch das Abdrängen von Schiffen auf hoher See einschließt. Italien hat geholfen, drei Konzentrationslager („Auffanglager“) in Misrata und anderswo in der libyschen Wüste zu finanzieren, wo körperliche Misshandlung um sich greift und Nahrung und Wasser knapp sind. Jetzt arbeitet die EU, mit Italiens Premier Renzi an der Spitze, an Vereinbarungen mit dem Sudan und Eritrea zur Eindämmung von Migration, indem sie militärische Hilfe bietet und strengere Abschiebungsvereinbarungen durchsetzt.

Realitäts-Check:Während viele politische Kräfte in der EU Hysterie über eine Flüchtlings-„Invasion“ verbreiten, ist es tatsächlich so, dass mehr als zwei Millionen syrische Flüchtlinge in der Türkei leben, etwa eine Million im winzigen Libanon, und gut 630 000 in Jordanien, aber weniger als 350 000 in der gesamten EU.

Es muss klar gesagt werden, dass es im Kapitalismus keine Lösung für die Flüchtlingskrise und Massenmigration gibt. Die imperialistische Plünderung und wirtschaftliche Verwüstung von neokolonial dominierten Ländern, sowie die rassistische Unterdrückung in den imperialistischen Zentren, sind integrale Bestandteile des Systems. Dies wird sich nicht wesentlich ändern, ob unter rechten oder „linken“ Regierungen. Deshalb sagen Nucleo Internazionalista d'Italia und die Liga für die Vierte Internationale, dass die einzige wirkliche Antwort auf die Flüchtlingskrise ist, für sozialistische Revolution auf beiden Seiten des Mittelmeers zu kämpfen.

Mit Verweis auf diese notwendige Schlussfolgerung, schlagen wir ein Übergangsprogramm für Arbeiteraktionen vor, einschließlich der Forderung nach Asyl für syrische Flüchtlinge und andere, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, sowie der Forderung nach vollen Staatsbürgerrechten für alle Immigranten. Außerdem fordern wir die Schließung der Internierungslager. Nieder mit den rassistischen Abschiebe-Gesetzen! Für Arbeiteraktionen um Abschiebungen zu stoppen, wie es Air-France-Piloten taten, als Immigranten zurück nach Mali geflogen werden sollten. Des weiteren rufen NId'I und LVI zur Bildung von integrierten Arbeiterverteidigungsgruppen auf, um Terror gegen Immigranten zu stoppen. Um die wachsende Zahl von eingewanderten Arbeitern zu verteidigen, müssen die Gewerkschaften eine Kampagne zur Organisierung der Unorganisierten und für volle Tariflöhne für alle beginnen. Im Namen von Immigranten und jungen Arbeitern in prekären Arbeitsverhältnissen, fordern wir gleichen Lohn für gleiche Arbeit und reguläre Verträge mit Arbeitsplatzsicherheit für jeden.

Trotzkisten sagen „Casa, lavoro, sindacato sono un diritto dell'immigrato – e di tutti“ (Wohnung, Arbeit und Gewerkschaft sind das Recht jedes Immigranten – und aller anderen). Angesichts von Massenarbeitslosigkeit im zweistelligen Prozentbereich, muss betont werden, dass klassenbewusste Arbeiter für eine drastische Reduzierung der Arbeitszeit bei vollem Lohn kämpfen müssen, um Jobs für alle zu schaffen. Ebenso ist Wohnraum ein Grundbedürfnis und Recht, das vielen verweigert wird. Erdbeben-Überlebende in Aquila (in den Abruzzen) leben sieben Jahre nach dem Beben noch immer in provisorischen Behausungen, während das Stadtzentrum weiter in Trümmern liegt. Viele andere sind einfach weggezogen. Angesichts der akuten Wohnungsnot in urbanen Zentren, wurden viele verlassene Häuser und Fabriken von Aktivisten-Gruppen und anderen besetzt, die sich Räumungen widersetzen. Die Arbeiterbewegung muss für „case popolari“ (öffentlichen Wohnungsbau) für alle Bedürftigen kämpfen – einschließlich Immigranten.

Eingewanderte und italienische Arbeiter im Klassenkampf zu vereinen kann der Arbeiterbewegung neues Leben einhauchen und sie aus ihrer reformistischen Flaute holen. Arbeiter in den nördlichen Fabriken, die in den 1960er-Jahren aus Süd-Italien kamen, waren sehr militant und führten Schlachten, die Italien an die Spitze europäischer Klassenkämpfe setzte, wie z.B. im Autunno Caldo (dem heißen Herbst) von 1969. Das Wachstum der SI COBAS Gewerkschaften, jüngst ihre Arbeit unter den brutal ausgebeuteten Landarbeitern in Apulien und Kampanien, sowie die mutigen Streiks von überwiegend immigrierten Arbeitern in kleinen Betrieben zeigen eine ähnliche Kampfbereitschaft eingewanderter Arbeiter heute, deren soziale Macht in wichtigen Industrieteilen zunimmt. Um das Potenzial für integrierten Klassenkampf auf einer Massenbasis zu realisieren, muss die Arbeiterbewegung direkt gegen die besondere Unterdrückung der Immigranten kämpfen. Dazu gehören Streiks und Besetzungen um Kontrollen und Entlassungen unserer Klassenbrüder und -schwestern durch Bosse oder Staat zu stoppen, unabhängig von Geburtsort und rechtlichem Status.

Solidaritätsstreiks über nationale Grenzen hinweg sind dringend notwendig. Die scharfen Kämpfe in Frankreich gegen das gewerkschaftsfeindliche El-Khomri-Arbeitsgesetz, involvierten strategische Teile des Proletariats, und rufen förmlich nach Solidaritätsaktionen in ganz Europa. Arbeiter in Italien haben geantwortet. Die Streiks und Demonstrationen überwiegend eingewanderter Arbeiter in Mailand am 6. Juni 2016 in Solidarität mit den französischen Streiks am selben Tag, zeigten ein Bewusstsein für die Wichtigkeit von derartigem proletarischen Internationalismus. Einige Tage später bildeten hunderte von SI-COBAS-Arbeitern Streikpostenketten und blockierten die Zufahrt des wichtigen Interporto-Logistikzentrums in Bologna um die Streiks französischer Arbeiter am selben Tag zu unterstützen. Für vereinte Streikaktionen gegen die kapitalistischen Regierungen, um das El-Khomri-Gesetz in Frankreich und den „Jobs Act“ in Italien wegzufegen!

Der Kampf um volle Staatsbürgerrechte für alle Immigranten ist untrennbar mit dem Kampf für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa verbunden. Tatsächlich wurde dieses einfache demokratische Recht nur durch Revolutionen realisiert – in der französischen Revolution von 1789-99, von der Pariser Kommune von 1871 und in der russischen Oktoberrevolution von 1917. Jedoch läuft ein solcher Kampf, der direkt die Frage der sozialistischen Revolution aufwirft, dem Klassenkollaborations-Programm zuwider, das diverse Gruppen vertreten, die sich fälschlicherweise trotzkistisch nennen. Die Maximal-Forderung zur Einwanderung der Partito Comunista dei Lavoratori (PCL) von Marco Ferrando und Franco Grisolia, ist beispielsweise „gleiche Rechte für gleiche Arbeit zwischen europäischen und immigrierten Arbeitern“. Sie umgehen die Forderung nach vollen Staatsbürgerrechten, suggerieren also etwas geringeres, wie z.B. Arbeitsgenehmigungen (Permessi di Soggiorno), erteilt von der Questura, der Polizei, für einen begrenzten Zeitraum. Aber das beließe eingewanderte Arbeiter in einem politischen Status zweiter Klasse, besonders angesichts der Fremdenfeindlichkeit die rechtsextreme Kräfte wie die Lega Nord aufpeitschen.

Der Rest des PCL-Plans („Für eine antikapitalistische Lösung des Einwanderungsdramas“, Unità di Classe, Mai 2015) zeigt deutlich, dass ihre Forderungen auf ein Maßnahmenkatalog einer „linken“ Regierung des kapitalistischen Staates hinauslaufen. So fordern sie „ein Programm öffentlicher Arbeiten, in jedem Land und ganz Europa, finanziert von den Reichen zu Gunsten der europäischen und immigrierten Arbeiter“, und „Beschlagnahmungen der großen Immobilien-Gesellschaften in jedem Land, um das Recht europäischer und eingewanderter Arbeiter auf Wohnraum zu einer Realität zu machen“. Wer soll denn dieses Programm der öffentlichen Beschäftigung oder der Wohnraumbeschlagnahmung einführen und bezahlen? Es kann sich nur um den Staat handeln. Und welcher Staat? Mit der Forderung nach einer „Regierung der arbeitenden Bevölkerung“ ruft die PCL genau nicht nach einer „Arbeiterregierung“ basierend auf Arbeiterräten (Sowjets), also der Diktatur des Proletariats. Stattdessen läuft diese Formel auf eine klassenkollaborationistische Regierung hinaus, die Kleinbürger und Kleineigentümer repräsentiert um den kapitalistischen Staat zu verwalten, nicht zu stürzen.

Hinter den unterschiedlichen Forderungen nach „gleichen Rechten für gleiche Arbeit“ und „vollen Staatsbürgerrechten“ lauert also ein grundlegender Unterschied im Klassencharakter des Programms zwischen vorgeblichen und authentischen Trotzkisten – und auch ein qualitativer Unterschied was die Konsequenzen für Immigranten angeht. Jedoch haben einige Ortsgruppen der PCL die Forderung nach vollen Staatsbürgerrechten für Einwanderer aufgeworfen, wie zuletzt die in Neapel (1. März 2016) zusammen mit Forderungen, die CIEs zu schließen und „faschistische Schlupfwinkel dicht zu machen“. Aber nochmal: Wer soll solche Aufrufe umsetzen? Den kapitalistischen Staat aufzufordern, die Faschisten zu unterdrücken, wird nur die bonapartistische Reaktion stärken. Der Artikel der PCL Neapel stellt zu Recht fest, dass die begrenzten Forderungen verschiedener zivilgesellschaftlicher Organisationen und der großen Gewerkschaftsbünde im Namen der Immigranten „diese Kämpfe lediglich in die Sackgasse der institutionalisierten Politik führen (vielleicht im 'orangen' Gewand [der Linksliberalen])“. Aber noch 2011 stimmte die PCL in der zweiten (und entscheidenden) Runde der neapolitanischen Bürgermeisterwahl für den letztlich siegreichen bürgerlichen Kandidaten Luigi De Magistris, der dann die orange Bewegung gründete!

Stattdessen streben authentische Trotz­kisten danach die Macht der vereinten Arbeiterklasse zu mobilisieren, indem man eine Klassenlinie gegen alle Flügel der Bourgeoisie zieht. Die PCL sagte, dass sie für den Ex-Richter De Magistris stimmte (wie auch für Giuliano Pisapia, den bürgerlichen Volksfront-Bürgermeisterkandidat in Mailand) „wie es das gesamte linke Volk gefordert hat“, um dabei „mitzumachen, Berlusconis Politik, Regierung und reaktionäre Kandidaten zu besiegen“ („Stimmt für Pisapia und De Magistris, aber ohne Illusionen“, PCL-Website, 26. Mai 2011). Diese Politik von „Kampf gegen rechts“ ist der ständige Refrain der Volksfront, die die Linke und Arbeiterbewegung an Teile der Bourgeoisie kettet. Das war die Politik der stalinistischen Italienischen Kommunistischen Partei (PCI), die zur Niederlage der potenziellen Revolution 1943-48 führte. Während die PCI immer weiter nach rechts ging und letztlich zersplitterte, wobei Reste zusammen mit christdemokratischen Elementen die bürgerliche Demokratische Partei (PD) bildeten, wurde das Banner der Volksfront von Rifondazione Comunista (RC) übernommen.

Die zweitgrößte vorgeblich trotzkistische Organisation Italiens, die Partito di Alternativa Partito Comunista (PdAC) von Franco Ricci, Teil der Liga Internacional de los Trabajadores (LIT, Strömung gegründet vom argentinischen Pseudo-Trotzkisten Nahuel Moreno), erhebt die Forderung nach Staatsbürgerschaft für alle Einwanderer, aber „verbindet dies nicht direkt mit revolutionären Aktionen der Arbeiterklasse“, wie wir geschrieben haben (siehe „Zurück zum Trotzkismus“). Wenn die PdAC davon spricht „den Kapitalismus zu stürzen und eine sozialistische Wirtschaft aufzubauen“ (Dokument ihrer vierten Konferenz), ruft sie nicht nach sozialistischer Revolution, sondern stattdessen zum „Kampf für ein sozialistisches System“. Das identifizieren sie als die „entschädigungslose Verstaatlichung aller strategischen Sektoren der Industrie“, die „Arbeiterkontrolle über Fabriken, die schließen, entlassen, oder die Umwelt schädigen`, sowie die „Verstaatlichung der Banken und die Schaffung einer einzigen Nationalbank“ etc. (aus “Atti del IV Congresso del Partito di Alternativa Comunista“, 2015). Dies könnte das Programm einer „linken“ Regierung des kapitalistischen Staates darstellen. Oder auch nicht so links: Erinnert euch, dass vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zu den 1970ern weit über die Hälfte der italienischen Wirtschaft in den Händen staatseigener kapitalistischer Unternehmen war – unter christdemokratischer Regentschaft.1

Bemerkenswerter Weise argumentiert die PdAC nicht dafür, dass Parlament durch proletarische Macht basierend auf Arbeiterräten zu ersetzen, wie in der Sowjet-Republik unter Lenins und Trotzkis Führung, die aus der russischen Oktoberrevolution von 1917 hervorging. Dies ist kein Zufall. Ihr Konferenzdokument stützt sich auf die LIT-Thesen zu den Revolutionen des 20. Jahrhunderts, 1984 von Nahuel Moreno geschrieben, die nicht zu neuen Oktoberrevolutionen aufrufen, sondern zu „Februarrevolutionen“ (bezogen auf den Sturz des russischen Zaren im Februar 1917) – und konsequenter Weise zu „demokratischer Revolution“ statt sozialistischer Revolution. Damit gehört der Ruf der PdAC nach Staatsbürgerrechten für Immigranten zu einem rein (bürgerlich-)demokratischen Programm. Das ist sozialistischer Revolution entgegengesetzt, die nötig wäre, um dieses demokratische Recht zu erringen.

Sowohl PCL als auch PdAC waren Teil der Proposta-Tendenz innerhalb von Rifondazione Comunista, noch bevor RC die Regierung der Ulivo-Volksfront (1996-­98) des Christdemokraten Romano Prodi unterstützte, der als ehemaliger Leiter der staatlichen Industrie-Holding IRI im großen Stil Staatseigentum privatisierte. Sie blieben bis 2006 in RC, als sie austraten und sich ohne klare politische Basis von einander spalteten. Proposta (13. Juni 1996) begrüßte den Wahlsieg der ersten Prodi-Regierung: „Tatsächlich wurde die Rechte besiegt und das ist gut“, außerdem „ist es richtig, abstrakte Neutralität zwischen Mitte-Rechts und Mitte-Links zu vermeiden und als Kommunisten dafür zu kämpfen, die Rechte zu besiegen“.

Die ersten Prodi-Regierung, unterstützt durch RC und somit durch Proposta, bedeutete Blut und Tränen für die Arbeiterklasse und die Unterdrückten. Sie erließ das rassistische Napolitano-Gesetz, das Internierungslager für Einwanderer schuf und großangelegte Abschiebungen vorsah. Außerdem machte sie auch tiefe Einschnitte bei Sozialleistungen und verabschiedete das Treu-Gesetz, das niedrigere Löhne für Arbeiter im Süden und Leiharbeit mit überaus kurzzeitigen Verträgen einführte. Die Prodi-Regierung verstärkte auch die Präsenz des italienischen Imperialismus in Albanien und verantwortete Vergewaltigung und Folter von Somalis durch italienisches Militärpersonal. Die historischen Führer von PCL (Ferrando und Grisolia) und PdAC (Ricci) haben sich nie von ihrem Klassenverrat in der Proposta-Zeit distanziert. Stattdessen verteidigen sie ihn, da sie heute die gleiche Politik von „kritischer Unterstützung“ für die Volksfront haben. Als Teil von RC, als die Ulivo-Regierung dank RC an der Macht blieb, versuchten sie, die kämpferischeren Teile der Arbeiterklasse politisch an die Bourgeoisie gekettet zu halten. Das ist das größte Hindernis für revolutionären Kampf heute.

Revolutionär gesinnte Aktivisten in PCL oder PdAC, die lieber für eine Politik der Klassenunabhängigkeit statt Klassenkollaboration kämpfen würden, müssen sich darüber bewusst sein, dass ihre Führer Meister pseudo-trotzkistischer Doppelzüngigkeit sind. Sie geben vor, die Volksfront abzulehnen, nur um sie, wenn es wirklich drauf an kommt, „kritisch“ zu unterstützen. Obwohl sie trotzkistisch klingende Floskeln von sich geben, haben sie eine jahrzehntelange Geschichte der Unterstützung bürgerlicher Kandidaten, sowie reformistischer Parteien (bzw. bürgerliche Arbeiterparteien, wie Lenin sie nannte), die Teil einer kapitalistischen Regierung sind. Alle bürgerlichen Regierungen sind rassistisch, frauenfeindlich und in Italien anti-süditalienisch. Heute sagt die PCL „Macht es wie in Frankreich!“ (Flugblatt, 29.Mai 2016), während die PdAC eine „Kampffront“ wie in Frankreich fordert, wo Arbeiter gegen das Arbeitsgesetz des Präsidenten François Hollande von der Sozialistischen Partei gestreikt haben. 2012 jedoch rief die PCL zur Wahl von Hollande auf, und 15 Jahre früher unterstützten Ferrando, Grisolia und Ricci die Wahl des SP-Kandidaten Lionel Jospin gegen den Rechten Alain Juppé:

„Die Regierung Juppé zu besiegen ist natürlich ein positives Ereignis und, auch in Anbetracht des Charakters ihres Projekts, ein Erfolg für die Arbeiterbewegung.“
Proposta, Juli/August 1997

Dass die PCL im Gegensatz zu 2011 in den Wahlen von 2016 keine bürgerlichen Kandidaten oder Volksfront-Formationen unterstützte, lag nicht an deren Klassencharakter, sondern nur daran, dass „Renzis Demokratische Partei (PD) und seine Regierung die reaktionärsten seit dem Zweiten Weltkrieg sind“ und die Bewegung Cinque Stelle (fünf Sterne), gegründet von Beppe Grillo, „eine reaktionäre Massenbewegung“ ist. Aber selbst wenn sie den Anschein „progressiverer“ Politik machen würden, wären sie noch immer bürgerlich. Um Immigranten zu verteidigen und die rassistische, kapitalistische Festung Europa zu stürzen, ist es notwendig, wirklich bolschewistische kommunistische Parteien zu schmieden, die scharf und prinzipiell mit Klassenkollaborations-Politik brechen, und für proletarische Opposition gegen alle kapitalistischen Politiker, Parteien oder Formationen (wie Volksfronten) kämpfen. Dies ist das Programm von Nucleo Internazionalista d'Italia und der Liga für die Vierte Internationale.

IKL: Grenzschützer der EU nach außen und innen?

Die Internationale Kommunistische Liga (IKL, in Deutschland die Spartakist-Arbeiterpartei), eine ehemals trotzkistische Organisation, aus der unsere Gründungskader ausgeschlossen wurden, reagierte auf die europaweite Flüchtlingskrise im Wesentlichen mit einer Kriegserklärung gegen „liberalen Humanitarismus“, Foderungen nach „Reisefreiheit“ für Einwanderer und Flüchtlinge innerhalb Europas, sowie illusorische Forderungen nach „offenen Grenzen“ im Kapitalismus. Der Spartaco (April 2016), herausgegeben von der IKL-Sektion Lega Trotskista d'Italia (LTd'I), verbringt fast ein Drittel seines Leitartikels (mehr als 1000 Wörter) mit einer Polemik gegen „Apostel des 'humanitären' Imperialismus“. Auf der anderen Seite ist der einzige Hinweis auf die immigrantenfeindlichen Rassisten der Lega Nord und auf Faschisten wie die Front National in Frankreich, eine Anschuldigung gegen die Gewerkschaftsbürokratie, sie würde diesen in die Hände spielen, indem sie die Idee eines „sozialen Europas“ fördern! Bemerkenswerter Weise fordert Spartaco in diesem Artikel mit dem Titel „Die rassistische Festung Europa und die Flüchtlingskrise“ nicht Asyl für syrische Flüchtlinge oder überhaupt irgendwelche Flüchtlinge. Diese Auslassung ist kein Zufall.

Stattdessen richtet die LTd'I ihr Feuer auf „reformistische linke Gruppen, die Illusionen in die Möglichkeit verbreiten, dass die Imperialisten, die direkt für die 'humanitäre Katastrophe' verantwortlich sind, 'etwas tun' könnten für Flüchtlinge und Einwanderer“. In einigen Fällen ist diese Kritik gerechtfertigt, es handelt sich jedoch kaum um die größte Bedrohung. Die ControCorrente-Gruppe, Teil des Committee for a Workers International von Peter Taaffe (in Deutschland SAV), beschrieb Mare Nostrum als „militärische und humanitäre Mission deren Hauptziel maritime Hilfe und die Rettung von Migranten war“, und forderte „einen internationalen Rettungsplan für die Hochsee“ und, „wenn nötig, die libyschen Hoheitsgewässer“. Wie bereits oben erwähnt, der eigentliche Zweck von Mare Nostrum war Verhinderung, also Flüchtlingsboote zurück nach Libyen zu zwingen, und das Eindringen von NATO-Seestreitkräften in libysche Hoheitsgewässer ist imperialistische Aggression.

Spartaco nimmt sich die PCL vor, vor allem für ihre Forderung nach „einem würdevollen Wilkommens-Plan für Migranten, besonders für Flüchtlinge, auf europäischer Ebene. Für Reisefreiheit von Immigranten innerhalb Europas. Aufhebung von immigrantenfeindlichen Gesetzen, in jedem Land und auf europäischer Ebene.“ Die LTd'I kommentiert: „Diese Art von Forderungen nährt die Illusion, dass die imperialistische Europäische Union gezwungen werden kann, auf der Grundlage von humanitären Prinzipien, 'Reisefreiheit' und 'Würde' zu handeln.“ Die Vorstellung, dass das imperialistische Europa Flüchtlingen ein „würdevolles Willkommen“ bieten wird, ist allerdings eine reformistische Illusion. Aber die Behauptung, dass Forderungen nach Bewegungsfreiheit von Immigranten innerhalb Europas und für die Abschaffung immigrantenfeindlicher Gesetze auf die Beschönigung des Imperialismus hinausliefen, ist nochmal eine ganz andere Sache. Vor ihrem Abschied vom revolutionären Trotzkismus (aufgrund defätistischer Schlussfolgerungen aus der historischen Niederlage der konterrevolutionären Zerstörung der Sowjetunion), stellte sich die IKL immer gegen alle rassistischen, immigrantenfeindlichen Gesetze, während sie gleichzeitig erklärte, dass es keine gerechte Einwanderungspolitik im Kapitalismus geben kann.

Sogar noch im Mai 2015 schrieb Spartaco: „Die Arbeiterbewegung muss sich rassistischen Einwanderungsgesetzen widersetzen.“ Aber hier kommt die heutige IKL und sagt, dass der Ruf, solche Gesetze aufzuheben, Illusionen in „humanitären Imperialismus“ erzeugt. Also sollte die Arbeiterbewegung nichts gegen solche Gesetze tun? Was für eine Spitzfindigkeit! Interessanterweise attackiert die LTd'I die PCL nicht dafür, keine vollen Staatsbürgerrechte für Immigranten zu fordern. In der Tat greift sie die PCL von rechts an, insbesondere über die Forderung nach Bewegungsfreiheit für Einwanderer und Flüchtlinge innerhalb Europas. Spartaco schreibt:

„In der Form des Slogans 'offene Grenzen' ist die PCL-Forderung nach 'Reisefreiheit für Immigranten in Europa' in der ganzen reformistischen Linken üblich, sowie unter allen mehr oder weniger liberalen kapitalistischen Kräften. Aber alle Varianten des Slogans 'offene Grenzen' sind letztlich Forderungen nach Abschaffung der Nationalstaaten im Kapitalismus: ein Ding der Unmöglichkeit. Die Anhänger 'offener Grenzen' sehen fälschlich die Europäische Union als eine Art Superstaat über den Nationalstaaten, mit der Macht, die Binnengrenzen aufzuheben.“

Die EU ist wohl kaum ein „Superstaat“, wie die Streitigkeiten über Einwanderungspolitik zeigen. Und die PCL ruft hier tatsächlich nicht nach „offenen Grenzen“. Aber die Realität ist, dass EU-Bürger das Recht haben, in Europa zu reisen und zu arbeiten, wohingegen Immigranten, auch diejenigen mit offiziellem Status, Verhaftung und Abschiebung riskieren, wenn sie während der Reise in ein anderes EU-Land angehalten werden.

Versuchen wir, die „Logik“ von dem, was die IKL hier sagt, zu entwirren. Die IKL behauptet, für Staatsbürgerschaft für alle Immigranten zu sein. Aber wenn sie gegen die Forderung ist, dass Einwanderer das Recht auf Bewegungsfreiheit in Europa haben sollen, bedeutet das, dass die IKL eine Art von Status zweiter Klasse vorschlägt, in dem Bürger ohne europäische Wurzeln dieses Recht nicht haben? Oder alternativ, sagt sie, dass sie dieses Recht haben können, sobald sie eingebürgert sind, aber nicht davor? So oder so kann dies nur eine reaktionäre immigrantenfeindliche Position sein. Oder vielleicht, angesichts der Behauptung, dass „Reisefreiheit“ gleichbedeutend mit „offenen Grenzen“ und der Abschaffung der Nationalstaaten sei, will die IKL in Wirklichkeit ausdrücken, dass gegenwärtigen EU-Bürgern ebenfalls nicht erlaubt sein sollte, frei in Europa herumzureisen, da dies Illusionen in den Schengen-Vertrag der EU erzeugen könnte!

Spartaco versucht lächerlicher Weise zu behaupten, dass der Ruf nach Bewegungsfreiheit für Einwanderer eigentlich eine chauvinistische Forderung immigrantenfeindlicher Kräfte sei. Der berüchtigte rassistische Bürgermeister von Verona, Flavio Tosi, wird mit der Aufforderung an die italienische Regierung zitiert, „Flüchtlingen humanitäre Genehmigungen für Reisefreiheit in Europa zu erteilen“. Die LTd'I nennt auch den Aufruf der italienischen Regierung zur Aufhebung der Dublin-III-Verordnung der EU, laut der Asylanträge im Land der Ersteinreise nach Europa bearbeitet werden müssen. Diese rassistische Verordnung hindert Flüchtlinge daran Griechenland und Italien Richtung Nordeuropa zu verlassen, wo sie Arbeit finden könnten bzw. Familie haben. Für Flüchtlinge, die es in den Norden Europas schaffen, bedeutet dies, dass sie zurück in ihr Land der Ersteinreise in Südeuropa geschickt werden können, wo sie eingesperrt und wahrscheinlich wieder in ihr Herkunftsland abgeschoben werden. In Wirklichkeit sind immigrantenfeindliche Reaktionäre gegen Reisefreiheit. So rief Matteo Salvini, der Chef der Lega Nord, nach „internen Kontrollen von EU-Bürgern an den Grenzen zu Frankreich und Österreich“ (La Repubblica, 11. Juni 2016).

Heute hat die IKL, mit der LTd'I im Schlepptau, eine Linie zur Flüchtlingskrise eingenommen, die sie zeitweise rechts von Teilen der Bourgeoisie und vielen bürgerlichen Organisationen landen lässt. Indem im Zusammenhang mit Italien das Gespenst beschworen wird, dass „unbegrenzte Masseneinwanderung das Recht auf nationale Selbstbestimmung bedrohen kann“, übernimmt Spartaco den Bürgerschreck der National-Chauvinisten. Diese Gefahr kann real für kleine, wirtschaftlich schwache Länder sein, wie beispielsweise für Palästina, das von zionistischer Einwanderung überrannt wurde, oder für karibische Inselstaaten, die von reichen Amerikanern überschwemmt werden könnten, die massenhaft Land aufkaufen. Aber als eine eingebildete Bedrohung für das imperialistische Italien ist es absurd. Internationalistische Kommunisten erheben nicht den illusorischen Ruf nach offenen Grenzen, da der Wegfall nationaler Grenzen im Kapitalismus utopisch wäre, und sogar ein Arbeiterstaat Grenzposten bräuchte. Aber mit ihrem Fokus auf die Phantasie von „offenen Grenzen“ um Forderungen nach Reisefreiheit für Immigranten innerhalb Europas abzulehnen, stellen sich LTd'I und IKL nicht gegen die Reformisten, die den kapitalistischen Staat verwalten wollen. Ganz im Gegenteil: In Wirklichkeit übernehmen sie die Rolle von Schützern der EU-Grenzen nach außen und nach innen.

Trotzkisten sagen, dass Einwanderer und Flüchtlinge, unabhängig vom rechtlichen Status, volle Staatsbürgerrechte haben sollten, sowie die gleiche Reisefreiheit innerhalb Europas wie alle anderen. Nieder mit dem rassistischen Dublin-III-Gesetz für beschleunigte Abschiebungen! Klassenbewusste Arbeiter müssen ihre Macht mobilisieren um Immigranten gegen faschistische und rassistische Angriffe zu verteidigen und um Abschiebungen mit Gewerkschaftsaktionen zu stoppen. All diese Forderungen richten sich gegen den bürgerlichen Staat, der auf rassistische Behandlung eingewanderter Arbeiter nicht verzichten kann. Sie müssen Teil eines Programms von Übergangsforderungen für Arbeiteraktionen mit dem Ziel sozialistischer Revolution sein, um kapitalistischer Ausbeutung ein Ende setzen zu können. Um Immigranten und Flüchtlinge aus den albtraumhaften Bedingungen zu befreien, die sie erdulden, für ihr Überleben und für die Hoffnung auf ein menschenwürdiges Leben, ist es vor allem notwendig, an die Wurzel solcher massenhaften Bevölkerungsbewegungen zu gehen: Die brutale Superausbeutung und die Kriege, die der verrottende Kapitalismus hervorbringt.

Bezüglich ihres Widerstands gegen Forderungen für Reisefreiheit für Einwanderer innerhalb Europas, da dies im Kapitalismus nicht erreichbar sei, sollten Anhänger der IKL das Folgende bedenken: Der gleiche Einwand könnte gegen die Forderung nach vollen Staatsbürgerrechten gemacht werden, die historisch nur durch Revolution durchgesetzt werden konnte. Methodisch betrachtet bedeutet dieser Einwand die Ablehnung von Trotzkis ganzem Übergangsprogramm, von Forderungen, die nicht vollständig umgesetzt werden können ohne sozialistische Revolution. Die IKL hat bereits die zentrale These dieses Gründungsprogramms der Vierten Internationale für veraltet erklärt (dass die historische Krise der Menschheit sich auf die Krise der revolutionären proletarischen Führung reduzieren lässt), weil sie „vor dem gegenwärtigen riesigen Rückschritt im proletarischen Bewusstsein aufgestellt“ wurde, wie die IKL in „Grundsatzerklärung und einige Elemente des Programms“ (1998) geltend macht. Es ist also nicht verwunderlich, dass die IKL Übergangsforderungen bezüglich Immigranten ablehnt ... und im Allgemeinen – wie es ihre Ablehnung der LVI-Forderung nach Arbeiterkontrolle in Griechenland zeigt. Es passt alles.

Das Ergebnis sind „revolutionäre“ Rechtfertigungen für ein Programm, das auf das im Kapitalismus Mögliche zugeschnitten ist. Im Frankreich der 1880er-Jahre hieß es „Possibilismus“. Heute...

Für Arbeiterrevolution auf beiden Seiten des Mittelmeers

Massenmigration – wie die Welle von hunderttausenden Flüchtlingen, die die gefährliche Überfahrt von der Türkei nach Griechenland wagten und dann wochenlang zu Fuß den Balkan durchquerten, oder die zehntausenden, die ihr Leben in klapprigen Booten bei der Überquerung des Mittelmeers riskieren – ist das Ergebnis verzweifelter Bedingungen: Krieg, Hungersnot, religiöse und ethnische Verfolgung. Angesichts der aktuellen europäischen Flüchtlingskrise versuchen Revolutionäre nicht nur, proletarische Solidarität mit den Opfern zu üben, sondern sich auch mit den Ursprüngen ihres Martyriums zu befassen. In diesen Fällen sind die unmittelbaren Faktoren der aktuelle allseitige ethnisch/sektiererische kommunalistische Krieg in Syrien, verstärkt durch imperialistische Bombardierungen, der das Land zerrieben hat, und die Zerstörung Libyens 2011 durch einen NATO-Luftkrieg und die vom Westen bewaffneten islamistischen Banden. Nicht nur sind in beiden Fällen die amerikanischen und europäischen Imperialisten die wesentlichen Anstifter und Täter, auch wurden sie jeweils von einigen derjenigen reformistischen Linken unterstützt, die heute behaupten, Einwanderer zu verteidigen.

2011 bezüglich Libyens forderten die PdAC und die morenistische Liga Internacional de los Trabajadores, zu der sie gehört, die NATO-Mächte auf, schwere Waffen und Militärtechnik an die blutrünstigen „Rebellen“-Brigaden zu liefern. Sie appellierten außerdem an „alle Regierungen“ – namentlich auch an die von Silvio Berlusconi im imperialistischen Italien – sich „abzuwenden vom libyschen Regime“ des erratischen nationalistischen Diktators Muammar al-Gaddafi. Ein Artikel in Progetto Communista (11. September 2011) verkündete: „Lang lebe die libysche Revolution, die das Gaddafi-Regime zerstört hat.“ Dieser „Sieg“, der massenhafte rassistische Verfolgung schwarz-afrikanischer Arbeiter in Libyen involvierte, ließ die Anzahl von Flüchtlingen stark ansteigen, die die Überfahrt nach Italien riskieren. Gegen die reaktionären islamistischen Söldner und den Verrat pro-imperialistischer Linker wie die PdAC, nahm die Liga für die Vierte Internationale eine proletarisch-internationalistische Position für die militärische Verteidigung Libyens gegen den imperialistischen Angriff ein, ohne Gaddafi politisch zu unterstützen.

Während die PdAC über Libyen schamlos pro-imperialistisch war, war die PCL verschämter. Sie begrüßte zunächst den Aufstand gegen das Regime, obwohl PCL-Führer Ferrando später zugab, dass „die Führung der libyschen Revolution von Anfang an in den Händen einer konterrevolutionären Entourage konzentriert war“ („Der Sturz von Gaddafi – Revolution und Konterrevolution in Libyen“, PCL, 26. August 2011). Nachdem die NATO-Bombardierung begann, suchte die PCL Zuflucht in Doppelzüngigkeit. Sie behauptete „gegen den Imperialismus und gleichzeitig für die Aufständischen zu sein, die die imperialistische Intervention bejubeln“ („Gegen die imperialistische Intervention, aber auf der Seite der libyschen Revolution“, PCL, 25. März 2011). Was die PCL nicht machte, war es, Libyen zu verteidigen, während es von Kampfflugzeugen pulverisiert wurde, die von italienischen Stützpunkten starteten. Die LVI, basierend auf dem Programm des authentischen Trotzkismus, stellte sich scharf gegen dieses Zaudern in Unterstützung der pro-imperialistischen „Rebellen“ (siehe „Imperialistische Plünderer im Treibsand Nordafrikas“ und „Verteidigt Libyen gegen imperialistischen Angriff! Für die Niederlage des US/UN/NATO-Überfalls!“ in The InternationalistNr. 33, Sommer 2011).

Über Syrien sind PdAC und LIT (geführt von der brasilianischen PT) einmal mehr offen pro-imperialistisch, wiederholen jede Lüge von CIA und Pentagon, unterstützen die Marionetten der „Freien Syrischen Armee“ gegen das autoritäre Regime von Bashar Assad, und fordern, dass die NATO der FSA schwere Waffen und sogar Boden-Luft-Raketen schicken soll (siehe „Brasilien: Linke im Lager der pro-imperialistischen syrischen Islamisten“, The Internationalist Nr. 36, Januar/Februar 2014). Die PCL und ihre Partner in der Coordinadora por la Refundación de la Cuarta Internacional (CRCI), geführt von der argentinischen Partido Obrero von Jorge Altamira, folgen dem gleichen Spielplan wie schon in Bezug auf Libyen: Zu Beginn bejubelten sie die „Syrische Revolution“ und verteidigten die pro-imperialistischen Rebellen weiter bis Mitte 2013. Aber seit September 2013, als die USA mit der Bombardierung Syriens drohten (unter dem Vorwand des Chemiewaffen-Angriffs, für den fälschlicherweise das Assad-Regime beschuldigt wurde), hat die CRCI umgeschaltet und forderte: „Nein zum Krieg gegen Syrien!“

In dem schmutzigen sektiererischen Blutvergießen entlang ethnischer und religiöser Linien, das jetzt Syrien und Irak verschlingt, muss das vorrangige Ziel revolutionärer Marxisten sein, die Imperialisten, die größten Massenmörder überhaupt, aus der Region zu jagen. Wie von der LVI verdeutlicht wurde, gibt es in Syrien gleichzeitig mehrere miteinander verflochtene und sich überlappende Kriege: Die US/NATO-Bombardierung, wozu wir sagen, dass die Imperialisten hinausgejagt werden müssen; ein interkommunaler/sektiererischer Bürgerkrieg zwischen pro-imperialistischen islamistischen Milizen, Al-Qaida-Islamisten, der syrischen Regierung und dem Islamischen Staat (IS), in dem wir alle Seiten ablehnen; das Recht auf kommunale Selbstverteidigung aller ethnischen und religiösen Gemeinschaften die von Massakern bedroht sind; und der kurdische Kampf für Selbstbestimmung. Die LVI hat eindeutig gesagt, dass jeder tatsächliche Schlag gegen die imperialistischen Invasoren, auch von Ultrareaktionären wie dem IS, im Interesse der internationalen Arbeiterklasse ist. Kürzlich, als die USA und ihre kurdischen Halb-Verbündeten einen Feldzug auf die IS-“Hauptstadt“ Rakka starteten, haben wir zur Verteidigung der Bevölkerung gegen den imperialistischen Angriff aufgerufen.

Die Kriege, die Nahost und Nordafrika zerstören, zusammen mit dem Krieg der Europäischen Zentralbank gegen die arbeitende Bevölkerung, sind Ausdrücke der Neuen Weltunordnung, eine Folge der Zerstörung der Sowjetunion und der bürokratisch-deformierten Arbeiterstaaten Osteuropas von 1989-92. In dem Jahrzehnt vor dieser folgenschweren Niederlage für die Arbeiter der Welt, haben fast alle pseudo-trotzkistischen Strömungen die Seite des Imperialismus bezogen, sich gegen die sowjetische Intervention in Afghanistan gestellt und die anti-sowjetische polnische Solidarność unterstützt. Wirkliche Trotzkisten hingegen sagten „Hoch die Rote Armee in Afghanistan!“ und „Stoppt die Konterrevolution von Solidarność!“ Als die Konterrevolution sich zuspitzte, feierte die LIT den Fall der UdSSR 1991/92 als einen „großen revolutionären Sieg“. Altamira machte keinen Finger krumm, um die Heimat der Oktoberrevolution zu verteidigen und behauptete fälschlicherweise, dass die Rumpf-Stalinisten die Restauration des Kapitalismus führen würden. Einmal mehr kämpften die authentischen Trotzkisten, damals die Internationale Kommunistische Liga, mit allen Mitteln in Deutschland gegen die kapitalistische Wiedervereinigung, und später in der UdSSR mit dem Aufruf: „Sowjetische Arbeiter: Zerschlagt die Konterrevolution von Jelzin und Bush!“

Der bürgerliche Triumphalismus, der die Konterrevolution im Sowjetblock begleitete, äußerte sich in imperialistischen Kriegen in Irak, Jugoslawien, Afghanistan und anderswo, die den Massen-Exodus von Flüchtlingen hervorriefen. Heute bezeichnen die Morenisten der PdAC und die Altamiraisten der PCL beide China als kapitalistischen Staat und weigern sich, es gegen Imperialismus und innere Konterrevolution zu verteidigen. So entwaffnen sie chinesische Arbeiter für die kommenden entscheidenden Kämpfe. Die virulent stalinophobe LIT geht noch weiter, und erklärt auch Kuba, Nordkorea und Vietnam für kapitalistisch. Das ging so weit, dass die mexikanischen Morenisten Mitte der 1990er-Jahre in einem Artikel eine Demonstration von Gusano-Konterrevolutionären in Miami bejubelten (El Socialista, Oktober 1994). Beschönigend schrieben sie, dass „das kubanische Proletariat in den USA die antibürokratische Revolution vorantreibt“! Im Gegensatz zur pro-imperialistischen Propaganda der Pseudo-Trotzkisten, steht die LVI für proletarisch-politische Revolution um die verräterische Bürokratie der deformierten Arbeiterstaaten rauszuschmeißen, um die verbliebenen revolutionären Errungenschaften gegen die wachsende Bedrohung der Konterrevolution zu verteidigen.

Die ehemals trotzkistische IKL hat sich mittlerweile von ihrer revolutionären Intervention in DDR und UdSSR abgewendet. Sie haben die Begründung derer übernommen, die sich weigerten, diese Staaten zu verteidigen: Nämlich, dass die Stalinisten, und nicht die Imperialisten, die Konterrevolution angeblich führten. Die heutige IKL hat immer wieder vor den imperialistischen Herrschern kapituliert und gibt die Schuld für ihre Flucht aus dem Klassenkampf einem vermeintlichen pauschalen „riesigen Rückschritt im proletarischen Bewusstsein“. Ihre Revisionen des trotzkistischen Programms waren jeweils das Ergebnis einer Krise, durch die die IKL auf die Probe gestellt wurde. So hat der Anschlag vom 11. September 2001 auf das World Trade Center und das Pentagon die IKL dazu veranlasst, nicht mehr nach der Niederlage des US-Imperialismus zu rufen. Es kam so weit, dass sie 2010 lautstark die US-Invasion von Haiti unterstützte, im Namen von Katastrophenhilfe nach dem Erdbeben. Mittlerweile vollends abgekoppelt von der Realität des Klassenkampfs, versucht die IKL diesen Verrat aufzuwiegen indem sie militärisch eine Seite mit dem Islamischen Staat einnimmt (im Namen des Kampfes gegen den Imperialismus), während der IS kommunalistisches Gemetzel an den Kurden betreibt. Die derzeitige Weigerung der IKL, Asyl für Flüchtlinge zu fordern, ist ihr „neues Haiti“: Mit ihrer reflexhaften Reaktion auf den liberalen Reformismus der opportunistischen Linken stellt sie sich auf die Seite erzreaktionärer Kräfte.

Eine wirkliche Verteidigung von Immigranten, die in der Barbarei des verfaulenden Kapitalismus gefangen sind, kann nur auf dem Programm des authentischen Trotzkismus basieren. Doch zu Nahost und Nordafrika beziehen sich die Pseudo-Trotzkisten rituell auf das Konzept der permanenten Revolution, während sie pro-imperialistische „Rebellen“ unterstützen (oder im Falle der IKL, die islamistischen Dschihadisten des IS). Die Liga für die Vierte Internationale baut stattdessen auf das millionenstarke türkische, kurdische und ägyptische Proletariat. In Italien behaupten vorgebliche Trotzkisten, gegen Volksfronten zu sein, und geben doch Volksfront-Politikern „kritische Unterstützung“. Um der Zerstörungsorgie Einhalt zu gebieten, die Millionen aus ihrem Zuhause reißt, unzählige Opfer fordert und die Überlebenden zu einer gefährlichen Flucht zwingt; um die schrecklichen sektiererischen Spaltungen zu überwinden, damit die Region in ihrer ganzen Vielfalt erblühen kann; um den Lebensstandard der werktätigen Massen Europas vor dem Ansturm der kapitalistischen Herrscher zu verteidigen – bedarf es einer sozialistischen Revolution auf beiden Seiten des Mittelmeers.

Die LVI strebt danach, anhand des bolschewistischen Programms von ­Lenin und Trotzki, den Kern wirklich kommunistischer Arbeiterparteien aufzubauen, um alle Unterdrückten im Kampf für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa anzuführen. ■


  1. 1. Das Istituto per la Ricostruzione Industriale (IRI) kontrollierte STET (Telekommunikation), ILVA (Stahl), RAI (Rundfunk), Häfen, Eisenbahnnetz, Autobahnen, Alitalia, sowie einen Großteil des Bankensystems. ENI hatte das Monopol über Öl und Energie. EFIM übernahm Kontrolle einiger kleinerer produzierender Betriebe.

Volle Staatsbürgerrechte für ausländische Arbeiter in Sowjetrussland

Die die nachfolgenden Artikel waren Teil der ersten Verfassung der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik (Juli 1918):

20. Ausgehend von der Solidarität der Werktätigen aller Nationen, gewährt die Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik den Ausländern, die auf dem Territorium der Russischen Republik wohnen und einer Beschäftigung nachgehen, die zur Arbeiterklasse oder zu der keine fremde Arbeit ausnutzenden Bauernschaft gehören, alle politischen Rechte der russischen Bürger und ermächtigt die örtlichen Sowjets, solchen Ausländern ohne jegliche erschwerende Formalitäten die Rechte der russischen Staatsbürgerschaft zu verleihen.

21. Die Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik gewährt allen Ausländern, die wegen politischer oder religiöser Vergehen verfolgt werden, das Asylrecht.