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  Februar 2019

Mobilisiert Arbeitermacht, um Immigranten zu verteidigen und die Faschisten zu stoppen!

Bürgerliche Kampagne gegen Flüchtlinge
nach rassistischer Randale in Chemnitz


Berlin, 13. Januar: Kontingent der Internationalistischen Gruppe bei der Liebknecht-Luxemburg-Demo.
(Foto: Janis Garnet)

Brecht mit dem Reformismus, ob SPD oder LINKE!
Für eine revolutionäre multiethnische Arbeiterpartei!

Der nachfolgende Artikel erschien in Permanente Revolution Nr. 3, Frühjahr 2019.

Nach dem rassistischen Pogrom gegen Immigranten in Chemnitz im August 2018 gab es in den letzten Monaten sowohl massive, vage anti-rassistische Mobilisierungen als auch eine Reihe von Vorfällen, die deutlich die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Elementen des deutschen bürgerlichen Staates und den Faschisten zeigen. Die Regierungskoalition ist natürlich noch weiter nach rechts gegangen und arbeitet daran einen weiteren Zustrom von Flüchtlingen zu verhindern. Ihr nächster Schritt wird sein, die Flüchtlinge, die bereits im Land sind und als wirtschaftlich unbrauchbar betrachtet werden, schneller abzuschieben. Dies wird den Appetit der Faschisten nur weiter anregen, die schon lange ganze Einwanderergemeinschaften im Fadenkreuz haben, die sich teils seit Generationen hier niedergelassen haben. Nach den Wahlerfolgen der Alternative für Deutschland (AfD) wird zunehmend spekuliert, was wohl passieren wird, sollte der Exportboom Deutschlands nachlassen.

Gleichzeitig blickt die deutsche herrschende Klasse mit Angst und Abscheu auf die populistische Revolte der „Gelbwesten“ in Frankreich. EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) sagte, der französische Präsident Macron habe in der EU mit seinen minimalen Zugeständnissen im Haushaltsplan für 2019 „Autorität eingebüßt“ – ein Aufruf zu weiterer Repression. Die AfD und die faschistischen Banden, die sich hinter ihr verstecken, werden hier geschützt und notfalls eingesetzt, weil sie für die herrschende Klasse letztendlich akzeptabler sind als ökonomisch-populistische Proteste oder (schlimmer noch!) ein Aufschwung von Klassenkämpfen, wie die Welle von wilden Streiks vor 50 Jahren.

Die Strategie der Faschisten

Der tragische Vorfall in Chemnitz, bei dem in den frühen Morgenstunden des 26. August der Deutsch-Kubaner Daniel Hillig nach einer Straßenschlägerei starb, wurde von faschistischen Hetzern dankend aufgegriffen. Unter anderen Umständen hätte Hillig ebenso gut Opfer der düsteren rassistischen und faschistischen Kräfte sein können, die versuchten, über seinen Tod Empörung aufzupeitschen. In den darauffolgenden Wochen arbeitete die AfD mit einer ganzen Reihe faschistischer Gruppen zusammen, um mehrere bedrohliche Aufmärsche zu organisieren. Der erste davon entwickelte sich zu einem Pogrom von der Art, wie Sachsen und andere Teile Deutschlands sie Anfang der 90er-Jahre erlebten. Das versetzte das ganze Land in Aufruhr.

Was war die Antwort der reformistischen Linken, der Sozialdemokratie und der Gewerkschaftsbürokratie? Sie organisierten einige Tage später ein Konzert in Chemnitz, das Zehntausende anzog um „Herz statt Hetze“ zu proklamieren. Und Mitte Oktober führten dieselben Kräfte dann die Großdemonstration „Unteilbar“ mit hunderttausenden Teilnehmern in Berlin durch – eine „Volksfront“ mit dem Ziel, die Linke und Arbeiterbewegung mit bürgerlichen Kräften wie den Grünen oder liberalen christlichen Gruppen etc. zu vereinen. Aber fröhliches Zelebrieren von Klassenkollaboration wird die Nazis nicht stoppen.

Wir brauchen unabhängige, klassenkämpferische Mobilisierung der sozialen Macht der Arbeiterklasse, mit ihrem wichtigen Immigrantenanteil, zusammen mit allen potenziellen Opfern des faschistischen Terrors, um die rassistischen Mörderbanden im Keim zu ersticken. Mit dieser klassenkämpferischen Politik intervenierte die Internationalistische Gruppe im Gewerkschaftsblock bei der Unteilbar-Demo. Wir griffen den „Sozialpartnerschafts“betrug und das selbstmörderische Vertrauen der DGB-Bürokratie an, dass der bürgerliche Staat etwas gegen die Nazis tun würde, und stellten die Notwendigkeit einer revolutionären, multiethnischen Arbeiterpartei in den Mittelpunkt.

Die AfD übernahm offen die Verantwortung für die Übergriffe in Chemnitz, was unsere marxistische Charakterisierung dieser Partei als faschistoid nochmals bestätigt. Ihr Pressesprecher im Bundestag Frohnmaier rechtfertigte auf Twitter: „Wenn der Staat die Bürger nicht mehr schützen kann, gehen die Menschen auf die Straße und schützen sich selber. Ganz einfach!“ AfDler halfen auch bei der Verbreitung erfundener Geschichten, wie z. B., dass der Auslöser der tödlichen Auseinandersetzung ein sexueller Übergriff von Flüchtlingen gewesen sein soll, was selbst die sächsische Polizei dementierte. Erst Wochen später wurde aufgedeckt, dass faschistischer Abschaum am 27. August erst das koschere Chemnitzer Restaurant Schalom unter Rufen von „Hau ab aus Deutschland, Du Judensau“ attackierte, den Besitzer verletzte, und dann weiterzog um „ausländische“ Restaurants anzugreifen. Es geht um „ethnische Säuberungen“, die nach Ansicht der Faschisten in Teilen Ostdeutschlands tatsächlich umsetzbar sind. Dafür nutzen sie den ganzen alten Dreck aus, wie die uralten rassistischen Fantasien über die Notwendigkeit, die „deutsche Frau“ zu schützen.

Die Korrelation zwischen den Wahlerfolgen der AfD und der ansteigenden rassistischen Gewalt in Sachsen ist bemerkenswert. Am 1. Oktober deckte die Polizei eine kleine Gruppe auf, die sich „Revolution Chemnitz“ nannte und beschuldigt wird, hinter einer „Bürgerwehr“ zu stehen, die Angriffe auf Immigranten verübte und Anschläge auf Ausländer, Politiker und Journalisten plante. Dies erinnert an die Todeslisten von AfD-Unterstützern in Mecklenburg-­Vorpommern, die 2017 aufgedeckt wurden.

Zurzeit genügt es der AfD und ihrer Jugend, linke Versammlungen an der Humboldt-Universität in Berlin zu stören, was andernorts, z.B. in Greifswald, das Werk der faschistischen „Identitären“ ist (die zunehmend mit der AfD verbandelt sind). Linke sind auch bei Leibe nicht die einzigen Ziele der AfD und der faschistischen Banden, die doch schließlich auch die „deutsche Familie retten“ wollen. Die gemeldeten Hassverbrechen gegen Lesben, Schwule und Transgender in Deutschland sind 2017 um ein Viertel gestiegen, selbst nach Angaben des Innenministeriums.

Angesichts der großen Zahl faschistischer Schläger, die von AfD-Abgeordneten als Mitarbeiter angestellt wurden – trotz „Unvereinbarkeitslisten“, die niemand ernst nimmt –, sieht alles sehr nach der Strategie aus, die Björn Höcke, der Joseph Goebbels der AfD, in seinem Buch Nie zweimal in denselben Fluß (sic) darlegt. Laut Höcke gibt es drei „Fronten“ – die AfD im Parlament, Gruppen wie Pegida und die Chemnitzer Mobs auf den Straßen und das, was er die „frustrierten Teile des Staats- und Sicherheitsapparates“ nennt. Letztere sind bereits durch die besonders große Zahl aktueller und ehemaliger Richter, Staatsanwälte, Polizisten und Offiziere unter AfD-Parlamentariern repräsentiert. Die Mobilisierung kleinbürgerlicher und deklassierter Elemente in einer terroristischen Massenbewegung gegen die Arbeiterklasse und die Unterdrückten ist das Markenzeichen des Faschismus. Aber der Faschismus wollte und will nicht „den Staat zerschlagen“ oder „illegal“ die Macht übernehmen. In seiner „klassischen Periode“, in den 20er- und 30er-Jahren, zählte er ebenfalls auf die Komplizenschaft von Elementen des bürgerlichen Staates.

Der Skandal ist, dass es keinen Skandal gibt

Nachdem am 16. August das Reporterteam von Frontal 21 bei einer Pegida-­Demonstration in Dresden 45 Minuten lang von Polizisten festgehalten wurde – im Auftrag eines Demonstranten, der ebenfalls Angestellter der Polizei ist – wurde dieser willkürliche Akt der Bullen von verschiedenen CDU-Politikern, inklusive des Ministerpräsidenten von Sachsen, verteidigt. Es ist klar, dass Sachsen voll von Polizisten ist, die mit der AfD, Pegida und sogar den kleineren Nazi-­Gruppen sympathisieren oder sie unterstützen. Während eines Einsatzes beim Besuch des türkischen Präsidenten Erdoğan benutzten die Angehörigen einer sächsischen Spezialeinheit den Namen von Uwe Böhnhardt als Alias, einem der NSU-Mörder.

Aber die „Pegizei“ gibt es nicht nur in Sachsen. In Dortmund verschwand die Polizei Ende September einfach von der Bildfläche, während Nazis mit Flaggen und anti­semitischen Parolen durch die Straßen marschierten. In Frankfurt/Main erhielt die Anwältin Seda Basay-Yildiz, Anwältin von NSU-Opfern, im Oktober einen mit „NSU 2.0“ unterschriebenen Brief, in dem gedroht wurde, man werde „als Vergeltung“ ihre zweijährige Tochter „schlachten“. Der Brief stammte tatsächlich von einem Polizisten, der die persönlichen Daten von Basay-­Yildiz einer behördlichen Datenbank entnahm.

Es stellte sich heraus, dass dies nur die Spitze des Eisbergs war, denn tatsächlich gibt es ein Netzwerk faschistischer Zellen in der hessischen Polizei. Gerade erst am 11. Januar deckte die Süddeutsche Zeitung auf, dass ein weiterer hessischer Polizeibeamter die Nazi-­Terrorgruppe „Aryans“ mit nicht näher genannten Interna versorgt hat. Diese Fälle zeigen, wie Faschisten innerhalb und außerhalb der Polizei an Daten kommen können, um missliebige Einzelpersonen anzugreifen.

Und es geht nicht nur um die Polizei. Ende November liefen ein halbes Dutzend unterschiedliche Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder der Bundeswehr-Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK). Bekanntheit erlangte vor allem der Fall von zwei Mitgliedern, einer ein Oberstleutnant, die bei einer KSK-Party im April 2017 (bei der auch rechtsradikale Musik gespielt wurde) nachweislich den Hitlergruß gezeigt hatten. Das KSK, die Speerspitze der deutschen Intervention in Afghanistan (wo wir Revolutionäre für die Niederlage der Imperialisten einstehen), ist seit ihrer Gründung eine Brutstätte der Nostalgie für das „Dritte Reich“ der Nazis.

Der KSK-Komplex umfasst außerdem auch überlappende Netzwerke von Rechtsradikalen aus der sogenannten „Prepper-Szene“, KSK-Veteranen und des Vereins „Uniter“ (in dem sich aktuelle und ehemalige Angehörige von Sondereinheiten organisieren). Dazu gehört auch der berüchtigte Bundeswehroberleutnant Franco Albrecht, der sich als syrischer Flüchtling (!) ausgab und offenbar einen Anschlag „unter falscher Flagge“ plante, sowie Polizisten, die mit der AfD Mecklenburg-Vorpommern verbunden sind. Einiges davon ist seit 2017 bekannt, und über das Netzwerk „Uniter“ wurde jetzt ausführlich berichtet. Die Priorität der Bundeswehrhierarchie bestand jedoch darin, sowohl die Berichterstattung als auch die Strafverfolgung zu beschränken.

Diese „Prepper“ (von engl. „prepare“, vorbereiten) haben nicht einfach ein exzentrisches Hobby, sich auf Naturkatastrophen vorzubereiten. Es handelt sich um Rassisten, die einen sozialen Zusammenbruch erwarten, Waffendepots und sonstige Vorratslager anlegen, sowie Feindeslisten erstellen. Der Focus Online (9. November) berichtete über interne Akten des Bundeskriminalamts: „In Chatgruppen und bei realen Treffen der Prepper gab es laut Zeugenaussagen konkrete Planungen für einen so genannten ‚Tag X‘, missliebige Politiker ‚zu einem Ort mit Tötungsabsicht zu verbringen‘.“

Industriepolizei beim Exerzieren, West-Berlin, 1950. Das US-Militär rekutierte „ehemalige“ Nazis für diese Hilfstruppen. (Foto: Acme)

Die ganze schmutzige Geschichte der gegenseitigen Durchdringung von bürgerlichem Staatsapparat und faschistischen Banden begann bereits im Herbst 1945, bevor es überhaupt einen westdeutschen Staat gab, als das US-Militär anfing, für seine „Industriepolizei“ zu rekrutieren. Es ging weiter mit der Anstellung von Nazi-­Kriegsverbrechern wie Klaus Barbie durch das U.S. Army Counterintelligence Corps, um deutsche Kommunisten auszuspionieren; der Komplettübernahme des anti­sowjetischen Nazi-­Spionageapparats von Reinhard Gehlen, aus dem der Bundesnachrichtendienst entstand; sowie den paramilitärischen „Gladio“-Kräften überall in Europa mit Waffendepots und Abschusslisten. In Deutschland schloss dies unter anderem den Bund Deutscher Jugend ein, der plante, ausgewählte Sozialisten, Kommunisten und andere „Neutralisten“ zu liquidieren. Seine Nachfolgeorganisationen können über den Bombenanschlag auf das Münchner Oktoberfest 1980 bis in die 90er-Jahre verfolgt werden. Dies ist nur ein Teil der ganzen unterirdischen Jauchegrube, die die NSU-„Untersuchung“, das Gerichtsverfahren und das Urteil vertuschen sollten.

Marxisten setzen kein Gleichheitszeichen zwischen Polizei bzw. bürgerlichem Staat und den faschistischen Banden, aber sie sind zunehmend miteinander verbunden. Gleichzeitig muss hervorgehoben werden, dass die Polizei von jeder bürgerlichen Regierung massiv mobilisiert wird, um faschistische Aufmärsche zu schützen – wie beispielsweise der Hess-Marsch in Berlin, der von den Bullen des SPD/LINKE/Grünen-Senat geschützt wurde. Sich auf die Polizei zu verlassen, um sich gegen die Faschisten zu schützen – und den bürgerlichen Staat aufzufordern, sie zu verbieten, wie die Linkspartei es tut – ist ebenso töricht wie gefährlich. Der Kontrast zu der Hysterie, die über die Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg aufgepeitscht wurde und die andauernde Repression gegen die beteiligten Linken, könnte schärfer kaum sein (siehe „G20: Hexenjagd auf Linke nach Polizeistaats-Gipfel in Hamburg“, Permanente Revolution Nr. 2, Sommer 2018).

Bürgerlicher Backlash gegen Flüchtlinge

Zwischenzeitlich behauptete Hans­Georg Maaßen, damals noch Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), in Chemnitz habe es keine „Hetzjagd“ auf Ausländer gegeben. Als ein Video das Gegenteil bewies, teilte er der Boulevardzeitung Bild mit, dass der Clip möglicherweise gefälscht war. Goeb­bels Methode der „großen Lüge“ ist im heutigen „demokratischen“ Deutschland also gesund und munter. Ein Team von Journalisten von Frontal 21 (ZDF) erlangte jedoch Zugang zu internen Polizeiberichten über die Ausschreitungen in Chemnitz, die eindeutig zeigten, dass die Mobs Immigranten, Linke und „ausländische“ Restaurants angreifen wollten.

Maaßen hatte schon zuvor Aufmerksamkeit erregt, weil er die AfD beraten hatte, um sicherzustellen, dass sie nicht vom BfV beobachtet wird. Dies war auch die Linie seines Chefs, Innenminister Horst Seehofer (der auch versuchte, das Chemnitzer Pogrom als Selbstverteidigung zu legitimieren). Seehofer versuchte, Maaßen aus dem Rampenlicht wegzubefördern, was jedoch fehlschlug, als Maaßen die SPD als „radikale Linke“(!) attackierte. Während sein Nachfolger Thomas Haldenwang seine politische Übereinstimmung mit Maaßen betonte, wies dieser einen Rekrutierungsversuch der AfD zurück; er ist lieber ein Reaktionär im eigenen Namen.

Es zeigt sich, dass die Barrieren für eine CDU-Koalitionsregierung mit der AfD langsam zerbröseln. Alle bürgerlichen Parteien spielen jetzt die Karte von „Recht und Ordnung“, einschließlich der sich neu definierten FDP. Die Kandidaten, die Angela Merkel an der Spitze der CDU ablösen wollten, konkurrierten mit flüchtlingsfeindlicher Rhetorik. Die Siegerin Annegret Kramp-Karrenbauer stellte die Punk-Band „Feine Sahne Fischfilet“ und die Nazi-Schläger von Chemnitz in grotesker Weise auf eine Stufe und kündigte an, Flüchtlinge auf Hartz-IV-­Niveau „integrieren“ zu wollen…

Zeitgleich steigen überall in Europa „Mainstream“-Politiker in die Anti-Immi­granten-Hetze mit ein. Während die britische konservative Regierung eine „Krise“ ausheckt, wegen knapp hundert Flüchtlingen, die es über den Ärmelkanal geschafft haben, hat der „gemäßigte“ Macron die Polizisten an den französischen Grenzen entfesselt, um Flüchtlinge fernzuhalten. Der bürgerliche Konsens hat sich wiedermal nach rechts verschoben. Die kleineren europäischen Länder zeigen sich hier oft als Vorreiter für reaktionäre gesellschafts­politische Maßnahmen und Offensiven der herrschenden Klasse. In Dänemark, wo die Polizei Wertgegenstände von Flüchtlingen beschlagnahmen darf, erklärte der (Anti-)Einwanderungsminister die Ramadan-Fastenzeit der Muslime zu „einer Gefahr für uns alle“, und sogenannte „Ghetto-Kinder“ (also Muslime) erhalten eine verbindliche Unterweisung in „dänischen Werten“. Kindergärten dürfen nicht mehr als 30% Kinder mit Migrationshintergrund haben und die Strafen für Verbrechen, die in den „Ghettogebieten“ begangen werden, sollen automatisch verdoppelt werden.

An ähnlichen Apartheid-Maßnahmen wird in Österreich gearbeitet, wo Innenminister Kickl von der faschistischen Freiheitlichen Partei Österreichs nicht nur „Zentren“ will, um Flüchtlinge „konzentriert an einem Ort zu halten“, d. h. Konzentrationslager fordert, sondern jetzt Menschen mit doppelter österreichisch-türkischer Staatsbürgerschaft ins Visier nimmt. In Italien sorgt die rechte Regierung einerseits dafür, dass Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken, und versucht gleichzeitig, Geschäfte und Restaurants zu schließen, die Immigranten gehören. In Deutschland, das zwar auf die Arbeitskraft von Einwanderern angewiesen ist, jetzt aber den Zustrom von Flüchtlingen beschränkt, ist die Kampagne für Bestrafung von Straftaten nicht nach gesetzlichen Festlegungen, sondern aufgrund der Staatsangehörigkeit, in vollem Gange. So befürwortete die Bundesvorsitzende der Grünen (denen noch immer ein unverdienter Ruf von „Antirassismus“ anhängt) eine Initiative der CDU-­regierten Bundesländer, um wegen verschiedener Verbrechen verurteilte Flüchtlinge schneller abzuschieben.

Dieser Konsens findet auch innerhalb der Linken Anhänger. Gerade wurde die „Aufstehen“-Bewegung der LINKEN-Politiker Sarah Wagenknecht und Oskar Lafontaine aus der Taufe gehoben. Laut der Tageszeitung Neues Deutschland (4. September) soll diese Bewegung die AfD „schwächen“. Wie? Indem sie sich mit voller Absicht weigert, rassistische immigrantenfeindliche Hysterie zu konfrontieren, in der Hoffnung, ein paar vereinzelte AfD-Protestwähler für sich zu gewinnen. Es dreht sich alles um die reformistische und chauvinistische Vorstellung, dass es einfach nicht genug für alle gäbe, und „die Deutschen“ ihrs zuerst bekommen sollten. „Aufstehen“ hat bereits Leute wie Peter Brandt angezogen (Willy Brandts Sohn), der nach einem sehr kurzen Flirt mit dem Pseudo-­Trotzkismus entschied, dass die „Linke“ sich die „deutsche nationale Frage“ zu eigen machen müsse und am Ende bei der „neurechten“ Wochenzeitung Junge Freiheit ­landete!

Wagenknecht behauptete sogar fälschlicherweise, dass der Aufruf der volksfrontlerischen „Unteilbar“-Demo die utopische Forderung nach „offenen Grenzen“ enthielte (eine Forderung, die im Wesentlichen darauf hinausläuft, den kapitalistischen Staat dazu aufzufordern, sich selbst abzuschaffen). Team Wagenknecht/Lafontaine ist dafür, dass der (bürgerliche) Staat Flüchtlinge zurückweist.

Im Gegensatz dazu lehnen wir Trotzkisten alle rassistischen Einwanderungs- und Ausländergesetze ab, genauso wie die Polizei, die sie durchsetzt, und die bürgerlichen Parteien, die sie schreiben. Wir fordern nicht nur Gleichbehandlung, sondern uneingeschränkte Staatsbürgerrechte für alle Einwanderer, egal wie sie hierhergekommen sind, und Asyl für diejenigen, die vor der vom Imperialismus verursachten Zerstörung fliehen. Wir betonen, dass die kapitalistische Unterdrückung von Immigranten nur durch die internationale sozialistische Revolution beendet werden kann.

Volksfront oder Arbeitermobilisierung?

Trotz der Stimmenzuwächse für die AfD in vielen Teilen Deutschlands, haben ihre Gegner sie auf den Straßen unbestreitbar immer wieder zahlenmäßig überflügelt. Aber bei den Gegenmobilisierungen handelt es sich für gewöhnlich um klassenübergreifende Koalitionen, d. h. „Volksfronten“, in denen die Linke und Arbeiterbewegung ihren vermeintlichen bürgerlichen „Verbündeten“ untergeordnet werden. Teilweise wird sogar versucht, die CDU mit einzubeziehen. Veranstaltungen wie die „Unteilbar“-Demo oder das Konzert in Chemnitz richteten sich hauptsächlich gegen die AfD und/oder gegen Seehofer und, wenn überhaupt, nur implizit gegen Merkel und die Große Koalition. Darüber hinaus bieten derartige Feste für „Frieden und Liebe“ keine Antwort auf die Frage, wie faschistische Angriffe auf Einwanderer tatsächlich verhindert werden können, insbesondere in Gegenden, in denen faschistische Gewalt eine tagtägliche, demoralisierende Bedrohung darstellt.

Marx21, ein „Netzwerk“ in der Linkspartei (verbunden mit der Tendenz des verstorbenen Anti-Trotzkisten Tony Cliff), das keinerlei linke Opposition darstellt, sondern der reformistischen Partei stattdessen ein dünnes „marxistisches“ Furnier bietet, will uns in der Dezemberausgabe ihres Magazins erklären, dass wir „breite Bündnisse“ gegen Rechts bräuchten, an denen sogar Pfarrer teilnehmen können. Die „Pfarrer“ etc. dienen hier lediglich als Platzhalter für die „demokratischen Kräfte und Parteien“, einschließlich der Grünen und sogar von Teilen der CDU, sowie die SPD-Spitzen, die Marx21 für sein Klassenkollaborationsprogramm gerne einspannen würde. In einem anderen Artikel, „Wie der Rechtsruck in den 90ern gestoppt wurde“, tischen die Cliffisten uns allen Ernstes das Märchen auf, dass „die Rechten durch eine breite Massenbewegung“ von „Lichterketten und Demonstrationen“ gestoppt worden seien.

In dem Artikel wird gegen den Sozialchauvinistischen Oskar Lafontaine argumentiert, der (wahrheitsgemäß) darauf hinwies, dass die rassistische Gewalt abebbte, nachdem 1993 das Asylrecht weitgehend abgeschafft wurde, unter maßgeblicher Beihilfe der SPD, deren Führer er damals war. Der Zustrom von Flüchtlingen verringerte sich, weil der deutsche Imperialismus sich hinter einer Barriere von „sicheren Drittstaaten“ verschanzte (ein Konstrukt, dass Lafontaine höchstpersönlich erfand und in Form der rassistischen „Dublin-III“-Abschiebeverordnung mittlerweile auf die gesamte EU ausgedehnt wurde).

Natürlich brüstet sich der heutige Linksparteipolitiker Lafontaine mit diesen Fakten, weil er die Pogromisten jetzt wieder besänftigen will. Aber seine Partei­freunde von Marx21 wollen die Geschichte lieber umschreiben, weil sie weiterhin harmlose Volksfronten aufbauen wollen, statt die Macht der Arbeiterklasse zu mobilisieren, um die Faschisten zu stoppen.

Angesichts dieser Spaltung in der Linkspartei, wo der „antirassistische“ Flügel nichts anzubieten hat außer dem trügerischen Appell an den bürgerlichen Staat, die Faschisten doch bitte zu verbieten, beschwert sich Wolfram Klein vom Bundesvorstand der Sozialistischen Alternative (SAV, eine weitere Strömung innerhalb der LINKEN) auf www.socialistworld.net (1. Oktober): „Leider ist die Linkspartei ihren Aufgaben aktuell nicht gewachsen.“ Welch delikate Art, den jahrzehntelangen Verrat dieser Partei zu verschleiern, die in verschiedenen Landesregierungen dabei hilft, kapitalistische Sparmaßnahmen und rassistische Abschiebungen durchzuführen! Die internationale Organisation des SAV, Peter Taaffes Committee for a Workers International (CWI), erklärte im Dezember:

„Jedoch ist die soziale Basis für faschistische Massenkräfte, die das Ziel verfolgen, die Organisationen und demokratischen Rechte der Arbeiter*innenklasse vollständig zu zerschlagen, in der modernen Ära nicht vorhanden. Dies bedeutet natürlich nicht, dass, wenn rechtsextreme Parteien an die Macht kommen, in einigen Ländern nicht versucht wird, extrem repressive Maßnahmen zu ergreifen. Wie wir gesehen haben können faschistische Kräfte und Gruppen in gewissem Maße existieren und wachsen, jedoch als Hilfskraft der Herrschenden.“ („Europa: Politische und soziale Polarisierung, Massenbewusstsein und die ‚Neue Linke‘“, Internationales Sekretariat des CWI, 14. Dezember 2018)

Wie kann das CWI die Möglichkeit von „faschistischen Massenkräften“ für eine zeitlich unbegrenzte historische Periode so kategorisch ausschließen? Jedenfalls nicht, weil sie die Möglichkeit, dass verarmte Kleinbürger oder lumpenisierte Arbeiter, den Faschisten als Stimmvieh oder Schocktruppen dienen könnten, bestreiten können. Nein, es liegt daran, dass diese Klassenkollaborateure, die sich nach der Verwaltung des bürgerlichen Staates sehnen (wie sie es in Liverpool in den 80er-Jahren taten) und die glauben, dass die Bullen „Arbeiter in Uniform“ seien, nicht glauben wollen, dass die Bourgeoisie die Faschisten jemals wieder an die Macht lassen würde. Dies ist nur ein reformistisches Schlaflied, das auf dem Glauben an die Stabilität der kapitalistischen Ordnung basiert. Das CWI-Manifest greift ironischerweise auf das gleiche Argument zurück, mit dem sich die Sozialdemokraten und Stalinisten bei der Machtergreifung Hitlers 1933 beruhigten, wenn es behauptet:

„Die wachsende Unterstützung rechts­extremer Parteien wird jedoch zu eigenen Widersprüchen führen und diese zunehmend offen legen [entlarven]. Spaltungen öffnen und werden sich in diesen öffnen. Wenn sie auf lokaler oder nationaler Ebene an der Macht sind, wird ihre tatsächliche Wirtschafts- und Sozialpolitik getestet und offensichtlich.“

Einen ähnlichen Widerspruch, aber in noch konzentrierterer und sogar schizophrener Form, zeigt die zentristische Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands (SpAD), Teil der Internationalen Kommunistischen Liga, deren Name ein Überbleibsel aus der Zeit ist, als sie für revolutionären Trotzkismus stand. Es ist schon eine Leistung, mit der Schlagzeile über die Notwendigkeit von „Mobilisierungen von Arbeitern/Minderheit­en, um Nazis zu stoppen“ (Spartakist, Herbst 2018) aufzuwarten, um dann auf derselben Titelseite zu erklären: „Momentan sind Kämpfe der Arbeiter gegen die Kapitalisten in Deutschland auf einem historischen Tief. Deshalb hat die Bourgeoisie gerade keinen Bedarf, ihre faschistischen Kettenhunde gegen die organisierte Arbeiterschaft loszulassen.“ Obwohl Spartakist im nächsten Atemzug rät, dass diese „Kettenhunde“ doch „in ihre Rattenlöcher“ (?) zurückgejagt werden müssen, „solange sie noch relativ klein sind“, kann der Leser eigentlich nur zu dem Schluss kommen, dass es ja so dringend nicht sein kann. Zumal sie seit zwei Jahrzehnten nichts unternommen haben, um dies zu konkretisieren.

Insgesamt verlässt sich die deutsche Bourgeoisie nach wie vor stark auf die Gewerkschaftsbürokratie sowie die polizeiliche Repression, um militante Klassenkämpfe zu unterdrücken. Es gibt jedoch einen wachsenden Niedriglohnsektor, dem jegliche Gewerkschaftsvertretung fehlt und von Faschisten und Bullen ins Visier genommen wird. Hat die SpAD möglicherweise den brutalen Angriff auf einen Gewerkschafter verschlafen, der in Hanau-Steinheim von zwei mutmaßlichen AfD-Unterstützer im Juli verübt wurde? Oder die Tatsache, dass Amazon vor nicht allzu langer Zeit eine Gruppe von Faschisten in Gestalt einer privaten Sicherheitsfirma engagiert hatte, um einen Teil seiner Arbeitskräfte mit Migrationshintergrund in Deutschland unter Kontrolle zu halten.

Trotzki erklärte im Übergangsprogramm von 1938:

„Die Bourgeoisie gibt sich nirgendwo mit der offiziellen Polizei und Armee zufrieden. In den Vereinigten Staaten unterhält sie selbst in ‚ruhigen‘ Zeiten paramilitärische gelbe Streikbrecher-Truppen und private bewaffnete Banden in den Fabriken. Hinzu kommen noch die Banden der amerikanischen Nazis.“

„Selbst in ‚ruhigen‘ Zeiten“! Trotzki hat die Faschisten nie mechanisch als etwas definiert, das von den Kapitalisten auf Befehl heraufbeschworen werden könnte, und zwar nur in Krisen. In der Realität glaubt die demoralisierte SpAD, dass das Eingeständnis, dass es eine faschistische Bedrohung gibt, gleichbedeutend damit ist, eine „antifaschistische“ Volksfront zu unterstützen. Warum? Weil die SpAD und ihre Internationale einen revolutionären Kampf gegen die Faschisten für unmöglich halten, und in Todesangst vor ihrem eigenen Opportunismus leben.

Nazi-Aufmärsche sind keine Frage von „freier Meinungsäußerung“; es handelt sich um Provokationen zur Förderung von Lynchmobs, Terrorzellen und staatlicher Repression. Sie versuchen, gefährdete Bevölkerungsgruppen zu terrorisieren und die Angriffe des kapitalistischen Staates auf diejenigen zu provozieren, die ihrer rassistischen, antikommunistischen Gewalt entgegenstehen. Sie müssen aufgehalten werden, denn ihr Ziele sind die Auslöschung der Arbeiterbewegung und rassistischer Völkermord. Wir brauchen Massenmobilisierungen der multiethnischen Arbeiterklasse und aller Unterdrückten, um die Faschisten im Keim zu ersticken, bevor sie ihr Massenmordprogramm in die Tat umsetzen können. Das schließt auch ihren parlamentarischen Arm mit ein, die faschistoide AfD.

Der Kampf muss heute darin bestehen, die Macht der Arbeiterbewegung in beispielhafter Weise in Bewegung zu setzen, Gewerkschaftskontingente zu mobilisieren, um Sammelabschiebungen von Flüchtlingen nach Afghanistan etc. zu blockieren oder faschistische Märsche tatsächlich zu stoppen. Dazu müssen letztlich Selbstverteidigungsgruppen basierend auf der organisierten Arbeiterbewegung aufgebaut werden. Dies ist das Klassenkampf-Programm, für das die Internationalistische Gruppe und unsere Schwesterorganisationen in der Liga für die Vierte Internationale in Theorie und Praxis einstehen (siehe z. B. „Portland/USA: ­Arbeitermobilisierung nach Nazi-Doppelmord zeigt den Weg vorwärts“, Permanente Revolution Nr. 2, Sommer 2018). Und wie Trotzki betonte, brütet der verfaulende Kapitalismus in seinem Endstadium die faschistischen Provokateure und Mörder aus, die er zur Vernichtung der Arbeiterbewegung verwenden würde – selbst wenn die Bourgeoisie gleichzeitig auf „Volksfronten“ setzt, um das Proletariat von revolutionären Aktionen abzuhalten. Ein nachhaltiger Sieg über die Faschisten kann jedoch nur erzielt werden durch internationale sozialistische Revolution. Um dies zu erreichen, bedarf es der Führung einer revolutionären Arbeiterpartei, die auf dem Programm des authentischen Trotzkismus basiert, der den Massen die Wahrheit sagt und erklärt, dass dies der einzige Weg vorwärts ist. ■