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  Januar 2018

Piloten zeigen den Weg: Stoppt Abschiebungen durch Arbeiteraktionen!
Für volle Staatsbürgerrechte für alle Immigranten!
Für eine revolutionäre multiethnische Arbeiterpartei!

Oury Jalloh und der Kampf
für Flüchtlingsrechte


Dessau, 7. Januar: Tausende bei Gedenkdemonstration für Oury Jalloh an seinem 13. Todestag. 
(Foto: Permanente Revolution)

Der nachfolgende Artikel wurde zuerst für den Streikkurier geschrieben, Zeitung von Basisaktivisten des Streiks der studentischen Beschäftigten an den Berliner Hochschulen, wo er in der 1. Ausgabe (16. Januar) in leicht gekürzter und stilistisch redigierter Form erschien.

Nach 13 Jahren von Vertuschung und Verschleppung ist der grausame Tod von Oury Jalloh in einer Dessauer Poli­zeizelle noch immer nicht aufgeklärt. Der Flüchtling aus Sierra Leone war 2005, an Händen und Füßen auf einer feuerfesten Matratze gefesselt, in Polizeigewahrsam verbrannt. Gerade ist herausgekommen, dass Anfang 2017 selbst der zuständige Staatsanwalt die lange widerlegte Selbstverbrennungsthese aufgegeben hatte, und von Mord ausging, auf Grund der Expertisen von acht Sachverständigen (u. a. Mediziner, Toxikologen und Brandexperten) – woraufhin ihm der Fall entzogen wurde.

Freunde und Angehörige von Oury Jalloh kämpfen seit Jahren gegen die Vertuschung eines offensichtlichen Mordes, und organisierten am 7. Januar, seinem Todestag, wie in den vergangenen Jahren eine Gedenkdemonstration in Dessau. Über 4 000 Menschen kamen in die kleine Stadt, sowohl aus der Region als auch von weiter weg. Die Regionalbahn aus Berlin war so voll, dass die Türen kaum zu schließen waren. Die Stimmung war kämpferisch, viele hatten selbstgemachte Plakate und Banner gegen Rassismus mitgebracht.

Weg mit dem Krieg gegen Flüchtlinge!

Wir wollen nicht nur Oury Jalloh in Erinnerung bewahren, und endlich die Wahrheit über seine Ermordung ans Licht bringen. In seinem Andenken wollen wir den Kampf fortsetzen – für die Rechte und das Leben der unzähligen anderen wie ihn. Oury Jalloh ist ein Opfer des einseitigen „Weltkriegs“ gegen Flüchtlinge. Das einzige „Verbrechen“ der vielen Menschen, die nach Deutschland kommen, ist der Versuch, vor Verfolgung und Elend zu fliehen – vor Bedingungen verursacht von imperialistischen Mächten wie Deutschland.

Die Liste der Opfer ist lang. Laya-Alama Condé starb 2005 in Bremen nach zwangsweise verabreichtem Brechmittel durch die Polizei wegen angeblichem Drogenhandel. Dominique Koumadio wurde 2006 in Dortmund auf mehrere Meter Entfernung in „Notwehr“ von einem Polizisten erschossen. 2014 misshandelten Privatbullen des Heimbetreibers European Homecare Flüchtlinge in NRW. Fünf Jahre lang belagerter und drangsalierten zeitweilig bis zu 1 000 Polizisten die Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg, die von Flüchtlingen mangels Wohnraum besetzt wurde. Am vergangenen Donnerstag wurde sie nun endgültig geräumt – unter Anleitung der Bezirksregierung von Grünen, Linkspartei und SPD. Auch im Ausland sind deutsche Grenzpolizisten im Einsatz, von Griechenland bis nach Afrika. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen: Denn es hat System – es ist das System!

Der weltweite Krieg gegen Flüchtlinge eskaliert immer weiter – von der Grenze USA-Mexiko bis zum Mittelmeer. Der kurze „Willkommenssommer“ für Flüchtlinge in Deutschland ist längst vorbei. Rassistische Angriffe auf Flüchtlinge und andere haben massiv zugenommen. Erst in der Silvesternacht haben Sicherheitsleute ­einer Cottbusser Flüchtlingsunterkunft einem Trupp Nazis die Tür geöffnet, und zugeschaut, wie sie Insassen verprügelten. Auch die Symbiose zwischen staatlichen Stellen und faschistischen Banden ist ein offenes Geheimnis, spätestens seit den NSU-Enthüllungen.

Der bürgerliche Konsens besagt, dass die Rassisten die angebliche „Stimme des Volkes“ darstellen würden. Politiker bis hin zur Linkspartei-Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht schließen sich der Hetze gegen Flüchtlinge an, angeblich um der AfD das Wasser abzugraben. In Wahrheit ist es die rassistische Politik des bürgerlichen Mainstreams, die heute meist gegen Muslime gerichtet ist, von der die faschistischen Kräfte immer weiter angespornt und ermutigt werden.

Gewerkschaften müssen den Kampf für Flüchtlingsrechte aufnehmen


Dessau, 7. Januar: Die Internationalistische Gruppe beteiligte sich an dem machtvollen Protest und argumentierte für eine klassenkämpferische Strategie gegen rassistische Unterdrückung.  (Foto: Permanente Revolution)

Es muss klar sein: Ein Angriff auf einen, ist ein Angriff auf alle! Und ­Angriffe auf Flüchtlinge sind immer die Speerspitze umfassender Angriffe auf die multiethnische Arbeiterklasse in Deutschland und die demokratischen Rechte der ganzen Bevölkerung. So diente ein provisorisches Gefängnis für G20-Gegner kurz vor dem Gipfel noch als „Zentrale Erstaufnahme“ für Flüchtlinge.

Einwanderer, unabhängig von ihrem rechtlichen Status, müssen volle Staatsbürgerrechte bekommen, inklusive der gleichen Reisefreiheit in Europa. Wegen der Dublin-III-Verordnung können alle über andere EU-Länder eingereisten Asylbewerber ohne weiteres wieder in diese abgeschoben werden. Weg mit Dublin III und allen Abschiebegesetzen! Klassenbewusste Gewerkschafter müssen ihre soziale Macht einsetzen, um Immigranten gegen rassistische Angriffe zu verteidigen, und um Abschiebungen durch Gewerkschaftsaktionen zu stoppen. Das ist möglich: 2017 wurden bis September 222 Abschiebungen durch die Weigerung von Piloten verhindert, unfreiwillige Passagiere zu transportieren. Angesichts von 18 000 Abschiebungen im gleichen Zeitraum ist das wenig – aber es zeigt eine Perspektive auf. Die Transport-Gewerkschaften könnten die couragierten Aktionen Einzelner systematisieren und ihre Mitglieder gegen Repressalien verteidigen.

Die Bourgeoisie und ihr Staat benutzen Rassismus, um die arbeitende Klasse entlang ethnischer Linien zu spalten. Der Kampf für Immigrantenrechte ist also keine Frage von Wohltätigkeit, sondern eine notwendige Vorbedingung für einen effektiven, also vereinten Kampf gegen das ganze kapitalistische System, das notwendigerweise Übel wie Ausbeutung, Ungleichheit und Krieg immer wieder reproduziert – und so nicht zuletzt auch das Elend von Vertreibung und Flucht verursacht. ■