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  September 2019

#Unteilbar-Demo in Dresden, Landtagswahlen im Osten

Statt Volksfront gegen „Rechtsruck“
Mobilisiert die Arbeitermacht
auf die Straße!


#unteilbar-Großkundgebung in Dresden, am Ende der Demonstration auf der Cockerwiese, am 24. August.
(Foto: Sebastien Kahnert / dpa)

Immigranten verteidigen, Faschisten stoppen!

2. SEPTEMBER – Die Wahlergebnisse bei den gestrigen Landtagswahlen im Osten wurden mit einem Seufzer von Erleichterung in den bürgerlichen Medien wahrgenommen. Die leitende Regierungsparteien – die CDU in Sachsen, SPD in Brandenburg – werden im Amt bleiben, trotz erhebliche Stimmenverluste, obwohl mit entsprechenden Koalitionsumgestaltungen. Die faschistoide Alternative für Deutschland (AfD) ist von knapp 10 Prozent bei den Landtagswahlen 2014 heftig auf 27 Prozent gestiegen, aber ist nicht, wie befürchtet, die größte Partei in beiden Länder geworden.

Hingegen hat die Linkspartei kolossale Stimmeneinbüße erlitten, die ihre eigene Sprecher als ein „Desaster“ bezeichneten. Von 18 Prozent 2014 ist Die Linke in Sachsen auf 10 Prozent hinuntergefallen. In einigen Gebieten ist ihre Wählerschaft geradezu zusammengebrochen, wie im Lausitzer Braunkohlenrevier, wo sein Wahlanteil von 18 Prozent auf verschwindend kleine 6 Prozent sank. Nur in Leipzig, wo es auch am Sonntag eine Antifa-Demo gegen die AfD gab, konnte sie mehr oder weniger standhalten.

Das vorsehbare Resultat der Wahlen wird eine Verschärfung von Angriffen der Regierungen gegen Immigranten und Bürgerrechte sein, sowie weitere Kahlschläge bei Sozialplänen und ein „Rechtsruck“ der Linke, sowohl auf gesellschaftlicher Ebene wie bei den beiden reformistischen sozialdemokratischen Parteien. Dagegen ist es unbedingt notwendig, die Radikalisierung der bürgerlichen Politik mit einer Offensive des proletarischen Klassenkampfs zu beantworten. Im folgenden erläutern wir die Position der Internationalistischen Gruppe, deutsche Sektion der Liga für die Vierte Internationale.

31. AUGUST – Die Landtagswahlen am 1. September in Brandenburg und Sachsen, und Ende Oktober in Thüringen, haben große Besorgnis bei Linksliberalen, Sozialdemokraten und reformistischen Sozialisten aller Art erregt. Die Befürchtung: dass die Alternative für Deutschland (AfD) die größte Partei in Sachsen werden könnte, und auf jeden Fall einen erheblichen Stimmenzuwachs im Osten für sich verbuchen würde. Aber das Kalkül bezieht sich auf die parlamentarische Ebene, während Eingewanderte und Flüchtlinge, Arbeiter und Linke mit der Gefahr der braunen Pest direkt auf der Straße konfrontiert sind und sie diese dort besiegen müssen.

Einen Wahlerfolg der AfD zu verhindern war das Hauptziel der #unteilbar-Demo in Dresden am 24. August. Zehntausende sind auf die Straße gekommen, viele mit selbstgemalten Plakaten gegen Fremdenhaß, Ausgrenzung und Nationalismus. Die Veranstalter berichteten von 40.000 Teilnehmern, angereist mit Bussen aus ganz Deutschland und einem Sonderzug aus Berlin. Die stundenlange Großkundgebung hat die Dresdener Cockerwiese am Ende gut gefüllt. Aber ihre politische „Breite“ bedeutete eine Volksfront-Politik, die die Zielscheiben des rechten Terrors an Teile der Bourgeoisie festkettet – die Ausbeuterklasse, die die Faschisten nährt und für den Notfall in Reserve hält – anstatt die Unterdrückten unter Führung der Arbeiterklasse zu mobilisieren, um die Nazis zu zerschlagen.

An der grausamen Wirklichkeit der faschistischen Gefahr ist nicht zu zweifeln, noch ist diese zu unterschätzen. Die Schergen der Nazi-Schlägertrupps sind bis in die Tausende gewachsen. Die massenhaften rassistischen Ausschreitungen in Chemnitz  Ende August letzten Jahres, die zu rassistischen, pogromartigen Angriffen von Faschisten auf Immigranten, einschließlich auf ein jüdisches Restaurant führten, waren kein isoliertes Ereignis. Nach einem Jahr der Verharmlosung ist es jetzt durch die letzten Enthüllungen der brandenburgischen Behörden amtlich bestätigt worden, dass die rassistischen Hetzer selbst von der Organisierung einer Menschenjagd sprachen. Die Vernetzung der „Sicherheits“dienste mit den Nazis wurde dabei aber natürlich nicht erwähnt.

Inzwischen sind die faschistischen Gewalttaten eskaliert. Anfang Juni wurde der CDU-Politiker Walter Lübcke, Stadtregierungschef in Kassel, von einem Nazi ermordet, offensichtlich aufgrund seines Rufs als Flüchtlingsunterstützer innerhalb der Union. Der Täter ist schon seit 25 Jahren im Visier der Polizei, war aktiv mit der NPD in Hessen und mit dem westdeutschen Combat 18 (18 ist die Zahlenchiffre für die Initialen Adolf Hitlers) verwickelt, und hatte eine lange Geschichte von nazistischer Kriminalität, einschließlich eines Rohrbombenangriffs auf eine Aufnahmestelle für Asylsuchende und mutmaßlicher Beteiligung an dem Überfall „Autonomer Nationalisten“ am 1. Mai 2009 auf eine Veranstaltung des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Dortmund. Solche Schläger finden eine breitere Unterstützung, z.B. von Fußball-Fanblöcken wie dem von Dynamo-Dresden, der gegnerische Vereine regelmäßig mit massiven Schreien von „Jude, Jude, Jude“ beschimpft.

Jedoch, obwohl die Dresdner #unteilbar-Demo fast genau am Jahrestag der Chemnitzer Ausschreitungen gegen „Ausländer“ stattfand, wurden diese im Aufruf zur Kundgebung nicht erwähnt; verschwiegen wurde die Nazi-Gefahr, die nur indirekt als „jegliche Form von Diskriminierung und Hetze“ erschien; noch gab es irgendeinen Hinweis auf die dringende Notwendigkeit, Immigranten und Flüchtlinge zu verteidigen, nur allgemeine Appelle für „Solidarität statt Ausgrenzung“ und Sonntagsreden wie „lassen wir nicht zu, dass Sozialstaat, Flucht und Migration gegeneinander ausgespielt werden.“ Solche frommen Wünsche sind die Alltagsrede der Volksfront, die scharfen Klassenkampf und revolutionäre Aktion um jeden Preis vermeiden will.

Eine Aussage wie: „Geht wählen“ (und wählt nicht AfD) – war letztlich die Hauptaussage, auf die man die Demo hätte zusammenfassen können. Es liefen die Grünen, die SPD und Die Linke in der Demo mit Blöcken mit. Anscheinend hätten die Veranstalter eine Präsenz der CDU begrüßt – zumindest war sie nicht ausgeladen worden. Aber die CDU hatte eine Teilnahme explizit abgelehnt, wegen der Anwesenheit der Antifa. Manche vom #unteilbar-Bündnis wollten keine CDU dort laufen sehen und auch nicht den rechten Flügel der SPD. Aber mit dabei war der SPD Bundesfinanzminister Olaf Scholz, ein Vorantreiber von Schröders Sozialkahlschlags-„Agenda 2010“ und Hamburger Bürgermeister zur Zeit des G20-Gipfels 2017, der nach der Polizeiorgie damals von sich gab: „Polizeigewalt hat es nicht gegeben, das ist eine Denunziation, die ich entschieden zurückweise.“ Seine Teilnahme war aber nicht unumstritten.

Viele Teilnehmer aus Sachsen haben die Demo als eine Ermutigung gesehen, um zu zeigen, dass sie nicht alleine sind. Aber im Wesentlichen war es eine Wahlveranstaltung für Parteien, die dem kapitalistischen Staat verpflichtet sind, und keineswegs einen Kampf gegen die Faschisten ansagte. Im Prinzip ist #unteilbar die jämmerliche Reaktion der gesamten Linken auf ihren gescheiterten Reformismus. Trotzdem, angesichts der Perspektivlosigkeit der pseudo-revolutionären Linken nehmen viele junge links-orientierte Aktive an solchen Demos teil, sei es aus Verzweiflung oder weil sie auf der Suche nach Perspektiven sind. Deshalb war es wichtig, dass die IG über 200 Stück der jüngsten Ausgabe unserer Zeitung, Permanente Revolution, an die einheimischen und angereisten Teilnehmer aus ganz Deutschland verkaufte, die auf der ersten Seite eine revolutionäre Perspektive bot mit der Überschrift: „Mobilisiert Arbeitermacht, um Immigranten zu verteidigen und die Faschisten zu stoppen!“

Bei den verschiedenen Blöcken waren, außer Anhängern der SPD und der Linkspartei, hauptsächlich Initiativen wie die bundesweite Aufstehen gegen Rassismus und die ostdeutsche #WannWennNichtJetzt. Die parteilose „radikale Linke“ wurde in der Jungen Welt (26. August) zitiert: „Es sei nicht die ‚Zeit für Maximalforderungen‘, sondern es gelte, ‚breite Bündnisse zu schmieden‘, schreibt etwa die Gruppe ‚Prisma – Interventionistische Linke Leipzig‘“. Auf der Demo riefen diese Leute Sprechchöre wie „Nationalismus – raus aus den Köpfen!“ Diese idealistische Losung ist um 180 Grad entgegengesetzt zu einem materialistischen Verständnis der Ursprünge des Hasses gegen Immigranten, welcher die Unterdrückung der Immigranten ideologisch wiederspiegelt, während der Faschismus die Verzweiflung von kleinbürgerlichen Elementen vor ihrem Niedergang im zerfallenden Kapitalismus ausdrückt.

Die Faschisten werden von Teilen der Kapitalistenklasse geschützt, finanziert, unterstützt, bereit gehalten und benutzt, letztendlich um die kapitalistische Herrschaft in einer potentiell revolutionärer Krise gegen einen Arbeiteraufstand zu sichern und die Organisationen der Arbeiterklasse zu zerschlagen bzw. gleichzuschalten. Das Konzept der opportunistischen Linken und ihrer „breiten (und immer breiteren) Bündnisse“ der Volksfront über alle Klassengrenzen hinweg, negiert diese historisch teuer bezahlte Erkenntnis und entwaffnet die Arbeiterklasse angesichts der erneut drohenden Gefahr.

An organisierten Linken waren ansonsten vertreten mit jeweils einer Handvoll Leuten: ArbeiterInnenmacht, SAV (Sozialistische Alternative Voran), MLPD (Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands) und einzelne Mitglieder anderer Gruppen. Unter „Einheitsfront gegen rechts“ verkauft ArbeiterInnenmacht, in einem Artikel auf ihrer Webseite,  ein dauerhaftes Volksfrontbündnis: „Um den Rechtsruck zu stoppen und die neoliberale Politik der Abwälzung der Krisenlasten auf die Lohnabhängigen zu bekämpfen, braucht es eine breit aufgestellte, soziale und antirassistische Bewegung.“ Der Artikel endet mit dem Verweis: „Die Demonstrationen von ‚#unteilbar‘ in Sachsen – insbesondere die Großdemonstration am 24. August in Dresden – bieten eine Möglichkeit, diese Politik offensiv auf die Straße zu tragen.“

Im selben Artikel befürwortet ArbeiterInnenmacht: „Wählt Die Linke, aber organisiert den Kampf“. Sie ruft zur „kritischen Unterstützung der Partei DIE LINKE“ auf, weil diese angeblich  „die einzige relevante ArbeiterInnenpartei, die auf die neoliberale Politik der GroKo und auf den Rassismus der AfD mit sozialen Forderungen antwortet und soziale Bewegungen auf der Straße unterstützt“. Immerhin müssen sie zugeben, „Sicher hat sie durch Regierungsbeteiligungen auf Landesebene schon oft bewiesen, dass sie auch keine Politik im Interesse der ArbeiterInnen macht“. Die Kritik an der Linkspartei geht nur so weit, dass sie sagen, dass diese nichts wirklich gegen die Verelendung der Arbeiterklasse getan habe. Kein Wort aber von den Abschiebungen, Privatisierungen in Berlin z.B. oder den in Brandenburg verabschiedeten Polizeigesetzen, alles mit der Linkspartei in den Landesregierungen.

Die SAV ihrerseits beschwört Die Linke: „Wenn Die Linke im sächsischen Wahlkampf Plakate mit dem Bekenntnis zum »demokratischem Sozialismus« klebt, dann ist das zwar richtig, aber das darf kein Lippenbekenntnis sein“. So soll „Demokratischer Sozialismus“ – Codewort der kapitalistischen Konterrevolution in der DDR – konkretes Ziel linker Politik sein, im Rahmen der imperialistischen Bundesrepublik Deutschlands. Die Klassenfrage und insbesondere die Frage der Staatsmacht werden hier negiert. „Wer den Aufstieg der AfD stoppen will, muss den Kapitalismus abschaffen wollen!“ meint SAV. Bestenfalls ein zaghafter Gedanke. Von sozialistischer Revolution keine Rede. Ihr ganzes Rezept ist, Druck auf Die Linke auszuüben, eine „staatstragende“ Partei des kapitalistischen Staats.

Die MLPD hatte eifrig ein vierseitiges Flugblatt zu den Landtagswahlen und #unteilbar verteilt. Ihre Hauptkritik: Sie beschwert sich darüber, dass sie aus dem #unteilbar-Bündnis ausgeschlossen wurde. Die SPD, Linkspartei und andere hatten dies gefordert, als Bedingung für deren eigene Teilnahme. Die MLPD bettelt nun darum, wieder aufgenommen zu werden in die Volksfront und klagt die „Spalter“ der Bewegung an. Ansonsten ist ihr Programm der übliche Reformismus: Einheitslohn Ost und West, Arbeitsplätze und Umweltschutz.

Als einzige hatte die MLPD etwas gegen Repression und die neuen Polizeiaufgaben-Gesetze vorgebracht und erwähnte die „neue faschistische Terrorwelle“. Dennoch, um sie zu bekämpfen haben sie nichts anderes vorzuschlagen als eine verschönerte Volksfront („internationalistische, antifaschistische und antiimperialistische Einheitsfront“) und dass sie „alle fortschrittlichen Kandidaten“ unterstützen würden, die bereit sind, mit ihr zusammenzuarbeiten.

Insgesamt bringt keine der erwähnten Organisationen etwas Konkretes im Kampf gegen den Faschismus vor, weder einen Aufruf zur Mobilisierung der Arbeitermacht um die Nazis auf der Straße zu besiegen, noch ein Programm von Übergangslosungen, die auf die sozialistische Revolution hin zielen wie z.B. eine gleitende Lohn- und Arbeitsstundenskala, um die Verarmung der Werktätigen im Osten und der stillgelegten Industrieviertel im Westen zu bekämpfen,  der Boden, auf dem die Faschisten wachsen und von dem sie sich nähren. Bei ihrem vagen Geplänkel, „Allen hier lebenden Menschen muss gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht werden“ (#unteilbar-Aufruf), spricht sich niemand für volle Staatsbürgerrechte für alle Immigranten aus, oder für Klassenkampfmaßnahmen um Abschiebungen zu verhindern.

Alle bekennen sich zum Volksfrontprinzip, von „Alle zusammen gegen den Faschismus“, was die Klassenlinie gegen die Bourgeoisie schlechthin verwischt. Es erschöpft sich alles bestenfalls in Reformen für einen Sozialstaat. Und am 1. September werden die meisten die Linkspartei wählen, die unbedingt hinein in die Regierungen kommen will, koste es was es wolle. Die Volksfrontpolitik zielt immer darauf ab, Druck auf die Bourgeoisie auszuüben, statt die bürgerlichen Parteien frontal zu bekämpfen. Im konkreten Fall von Sachsen und Brandenburg, versuchen sie die CDU zu bedrängen, damit sie mit der AfD keine Regierungskoalitionen bildet. Wenn das gelingt, wird das heißen, dass die Rechtsaußenparteien die einzige Opposition bilden gegen den Sozialkahlschlag, den die ganze reformistische Linke mitmacht.

Die revolutionäre Klassenkampfpolitik der Internationalistischen Gruppe und unserer Liga für die Vierte Internationale geht in die entgegengesetzte Richtung, um die Arbeiterschaft auf ihre historischen Aufgaben vorzubereiten. Die Tatsache, dass verschiedene Gewerkschaften zur Demo aufgerufen haben – unter anderem die IG Metall, ver.di, DGB, und IG-Bau – und in einigen Betrieben dafür Propaganda verteilten, hat Aufmerksamkeit erregt. Aber die Blöcke der Gewerkschaften waren ganz klein, ihre Aufrufe gingen nicht über die äußerst bescheidenen #unteilbar-Losungen hinaus und ihr Hauptanliegen war, die Zahlen der SPD bzw. von Die Linke in den kommenden Wahlen zu verbessern.

Es ist unmöglich, über den Aufstieg von rassistischen und faschistischen Kräften im deutschen Osten zu sprechen, ohne ihre DDR-Vergangenheit anzutasten. Heute gibt es überall in den Medien Aufsätze über einen vermuteten Hang des ostdeutschen Volks zu autoritären Losungen, was völliger Quatsch ist. Die Deutsche Demokratische Republik war ein bürokratisch deformierter Arbeiterstaat, in der die Planwirtschaft es ermöglichte, bis in die abgelegensten Gebiete hinein Sozialeinrichtungen und ökonomische Stabilität zu garantieren, auch wenn diese oftmals durch Misswirtschaft der selbstherrlichen stalinistischen Bürokratie untergraben wurde. Der Sieg der bürgerlichen Konterrevolution und die Einführung der Marktwirtschaft hat das alles zerstört, inklusive relativ erfolgreicher Konzerne, wie das in Sachsen ansässige Kombinat Robotron; sogar diese wurden durch die revanchistische „Abwicklung“ der DDR von der Treuhand zum Tode verurteilt, um die ostdeutsche Arbeiterklasse zu demütigen.

Dazu kommt die Austeritätspolitik, die von allen parlamentarischen Parteien gehandhabt wird. Heute gibt es ganze Stadtteile in Sachsen in denen, dank der SPD, bis zu 20 Prozent der Bevölkerung mit einem dürftigen Hartz IV-Einkommen auszukommen versuchen muss, und viele entvölkerte Kleinstädte, in denen oft gar nichts vom versprochenen wirtschaftlichen Aufstieg zu verspüren ist. Deswegen ist es ein Leichtes für Demagogen, die wirtschaftliche Misere  Sündenböcken zuzuschreiben – gestern die Juden, heute die „Ausländer“ oder Muslime – anstatt den tatsächlichen Ursprung zu benennen, den Kapitalismus. Um sich der Anziehungskraft solcher Reaktionäre entgegen zu stellen, dient es in keiner Weise eine reformistische Arbeiterpartei wie Die Linke in die Regierungen hineinzubringen. Im Gegenteil, man braucht eine wirkliche Klassenopposition, die für die sozialistische Revolution kämpft.

Nichts von dem bei den Veranstaltern der #unteilbar-Demo. Diese Sozialdemokraten von unterschiedlicher Couleur versuchen sich unter demselben Deckmantel wie die Rechtspopulisten zu verbergen. „1989 – 2019, Wir sind das Volk“ sagt die AfD auf ihren Wahlplakaten, und sagen auch die Islamophoben von Pegida. „»Für ein offenes Land mit freien Menschen« – unter diesem Banner gingen ’89 Menschen in Sachsen auf die Straße“ lesen wir im Aufruf zur Dresdner #unteilbar-Demo vom 24. August. Tatsächlich? Ein offenes Land mit freien Menschen wird es nicht im Kapitalismus geben. Die Leipziger Montagsdemos haben sehr rasch ihr Motto in „Wir sind ein Volk“ geändert, um die kapitalistische Wiedervereinigung voranzutreiben. Die Trotzkisten haben damals aufgerufen, wozu wir immer noch stehen, gegen den Anschluss der DDR und für ein rotes Rätedeutschland durch eine proletarisch-politische Revolution, um die stalinistische Bürokratie im Osten zu stürzen und für die sozialistische Revolution im Westen.

Die Alternative für Deutschland und die Faschisten, die in ihrem Umfeld ihren rassistischen Terror verbreiten – und die bis in die Führungsriege von dieser Rechtsaußenpartei sitzen, wird man weder mit Großkundgebungen noch bei den Wahlurnen besiegen können. Dazu noch ist die Polizei, ganz bestimmt in Sachsen und fast überall in Deutschland, notorisch von faschistischen Elementen durchdrungen. Wie Leo Trotzki im Übergangsprogramm (1938) schrieb:

„Die Reformisten hämmern den Arbeitern systematisch die Vorstellung ein, dass die hochheilige Demokratie dann am besten gesichert ist, wenn die Bourgeoisie bis an die Zähne bewaffnet ist und die Arbeiter entwaffnet. Es ist die Pflicht der IV. Internationale, ein für alle Mal mit dieser unterwürfigen Politik Schluss zu machen. Die kleinbürgerlichen Demokraten – einschließlich der Sozialdemokraten, Stalinisten und Anarchisten – schreien umso lauter vom Kampf gegen den Faschismus, je feiger sie in Wirklichkeit vor ihm kapitulieren.“

Um die faschistische Gefahr wegzufegen und die Nazibanden zu zerschlagen ist es notwendig, eine stärkere Kraft ins Gefecht hineinzubringen, die der organisierten Arbeiterklasse. Deswegen ist es notwendig, Arbeitermobilisierungen und Arbeiterverteidigungsgruppen zu organisieren, wie die Liga für die Vierte Internationale es fordert und versucht in die Tat umzusetzen (siehe unser Extrablatt über die Arbeitermobilisierung in Portland, USA, im Juni 2017). Wie Trotzki im Übergangsprogramm hinzufügte:

„Der Kampf gegen den Faschismus beginnt nicht in der Redaktionsstube eines liberalen Blattes, sondern in der Fabrik und endet auf der Straße. Die Streikbrecher und die Privatgendarmen in den Fabriken sind die Grundzellen der Armee des Faschismus. Die Streikposten sind die Grundzellen der Armee des Proletariats. Hiervon muss man ausgehen.“

Um diese revolutionäre Politik zu verwirklichen ist es vor allem notwendig, eine multiethnische, revolutionäre Arbeiterpartei aufzubauen, die als leninistischer Volkstribun alle unterdrückten Schichten der Gesellschaft verteidigt, im Kampf für die Wiederschmiedung von Trotzkis Vierter Internationale als die Weltpartei der sozialistischen Revolution. ■