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Eine marxistische Analyse

Die Geburt des zionistischen Staates

Teil 1/ Die jüdische Kolonialisierung von Palästina

Der folgende Artikel wurde in Workers Vanguard Nr. 33, 23. November 1973, die Zeitung der Spartacist League, veröffentlicht, als sie die Stimme des revolutionären Trotzkismus war. Dies ist der erste Teil einer zweiteiligen Serie. Siehe unten für einen Link zu Teil 2.

Der „Jom-Kippur“-Krieg von 1973 ist direktes Ergebnis davon, dass die arabischen Staaten im Krieg 1967 gegen Israel unterlagen; aber grundsätzlicher ist er Produkt des Konflikts zwischen Zionismus und arabischem Nationalismus, der Palästina seit dem Ableben des Osmanischen Reichs im Ersten Weltkrieg auseinander reißt. Um zu bestimmen, welche Position im gegenwärtigen Krieg eingenommen werden muss, ist es nützlich, den gesamten Balkanisierungsprozess im Nahen Osten anzuschauen. Dessen Ergebnis war die Entstehung eines zionistischen Staates Seite an Seite mit einer Reihe von künstlichen Monarchien und „Republiken“, geführt von kleinbürgerlichen Militärcliquen, die alle (in unterschiedlichem Ausmaß) imperialistischer Vorherrschaft unterworfen sind. Insbesondere müssen wir den Krieg 1948 untersuchen, der zum gegenwärtigen Staat Israel führte und gleichzeitig zur Vertreibung mehrerer hunderttausend Araber aus ihren Wohnstätten und von ihrem Land.

Für die Zionisten war der Krieg 1948 ein „antiimperialistischer“ Krieg der „nationalen Befreiung“, die Schaffung eines Zufluchtsorts für ein vom faschistischen Völkermord dezimiertes Volk. Für die palästinensischen Araber war 1948 der Ursprung ihrer „Diaspora“, der Zerstörung ihrer Nation; ihnen wurden die Mittel für ihren Lebensunterhalt entzogen, man verbannte sie in die elenden Flüchtlingslager, wo sie eingesperrt und zur Untätigkeit gezwungen sind und sich von UN-Rationen zu zehn Cents pro Tag ernähren müssen. Dies alles erzeugte einen der schwierigsten nationalen Konflikte der letzten Jahrzehnte, da sowohl eine hebräische als auch eine arabische Nation um das gleiche kleine Territorium wetteifern. Die Tatsache, dass Israel aus den ersten drei Kriegen (1948, 1956 und 1967) siegreich hervorgegangen ist und deshalb die direkte Verantwortung für das tragische Elend der palästinensischen arabischen Flüchtlinge trägt, darf uns nicht blind machen für die Notwendigkeit, das Recht auf Selbstbestimmung für beide Seiten anzuerkennen als notwendige Garantie gegen Völkermord. Der Kampf um einen wahrlich demokratischen binationalen Arbeiterstaat in Palästina als Teil einer sozialistischen Föderation des Nahen Ostens und als Produkt des gemeinsamen Kampfes hebräischer und arabischer Arbeiter und Bauern kann die nationale Frage nicht einfach ignorieren.  

Ursprünge des Zionismus

Zionismus als politische Bewegung ist ebenso sehr ein Produkt der Epoche des Imperialismus wie sein Gegenstück, der Faschismus. Juden als eine „Volksklasse“, um den Ausdruck Abraham Leons, des belgischen trotzkistischen Theoretikers zur jüdischen Frage, zu gebrauchen, trieben als Geldverleiher und Händler die Entwicklung des Kapitalismus voran. Jene Juden, denen es gelang, über den Obskurantismus der Synagoge und die Knauserigkeit des Marktes hinaus zu gelangen, waren oft Führer der kulturellen Aufklärung. Aber der Kapitalismus in seinem Niedergang und Todeskampf bietet keinen Platz für die Handelskaste des Mittelalters. Wie das Proletariat hatten die Juden „kein Vaterland“. Juden spielten eine führende Rolle in der proletarischen Bewegung, besonders auf deren linkem Flügel, und das lag teilweise daran, dass sie frei von den Fesseln des Nationalismus ins 20. Jahrhundert traten.

Nur durch die welthistorische Niederlage des deutschen Proletariats 1933 wurde der Zionismus zu einer Massenbewegung. Vor 1933 war der Zionismus eine winzige Sekte kleinbürgerlicher jüdischer Intellektueller, die emanzipiert, aber nicht assimiliert waren. Falls die Juden der osteuropäischen Ghettos sich überhaupt mit irgendwelchen politischen Bewegungen identifizierten, waren sie entweder Kommunisten oder Mitglieder des Bundes, einer antizionistischen jüdischen sozialistischen Gruppe mit menschewistischer Politik.

Ende des Ersten Weltkriegs gab es 60 000 Juden in Palästina, viele von ihnen lebten in altertümlichen orthodoxen Gemeinschaften, die dem politischen Zionismus feindlich gegenüberstanden, und 644000 Araber lebten dort, davon 574000 Muslime und 70000 Christen. Um eine arabische Revolte gegen das Osmanische Reich zu ermutigen, bewaffnete Britannien den Scherifen von Mekka, Hussein, und rüstete ihn aus für einen „Heiligen Krieg“ gegen die Türken. Die Levante wurde mit dem geheimen Sykes-Picot-Vertrag (1916) zwischen Britannien, Frankreich und dem zaristischen Russland aufgeteilt, einem Vertrag, der erst von den Bolschewiki nach der Oktoberrevolution veröffentlicht wurde. Der Vertrag sprach Frankreich den Libanon und Syrien zu, Britannien bekam Palästina, Transjordanien und den Irak.

Die Zionisten erkannten früh, dass sie ihr Ziel der Schaffung eines jüdischen Staates im arabischen Osten nur unter der Patenschaft irgendeines Imperialismus erreichen konnten. Theodor Herzl, der Schöpfer des modernen Zionismus, wandte sich zunächst an den osmanischen Sultan und den deutschen Kaiser und erhielt eine Abfuhr. Nachdem der zaristische Innenminister Plehwe das SchwarzhunderterPogrom von Kischirew organisiert hatte, in dem hunderte Juden massakriert wurden, erhielt Herzl eine Audienz bei Plehwe und bot ihm die zionistische Methode an, „die Juden los zu werden“. Wie Nathan Weinstock in seinem Le sionisme contre Israel [Der Zionismus kontra Israel] (Paris, 1969) sagt: „Der zionistische Kurs und antisemitische Logik sind zueinander symmetrisch.“

In der Tat fanden die Zionisten schließlich ein offenes Ohr bei dem notorischen Antisemiten Lord Chamberlain, damals britischer Kolonialminister. Chaim Weizmann, der führende britische Zionist und künftige erste Präsident Israels, hatte in einem Brief vom November 1914 an den Herausgeber des Manchester Guardian, C.P. Scott, der britischen Bourgeoisie schon kurz und bündig die Sache der Zionisten dargelegt:

„Würde Palästina in die britische Einflusssphäre fallen und sollte Britannien die jüdische Besiedlung dort ermutigen, können wir durchaus davon ausgehen, dass wir als britisches Schutzgebiet dort in zwanzig oder dreißig Jahren eine Million oder mehr Juden haben könnten; sie würden das Land entwickeln, die Zivilisation zurückbringen und wären ein sehr wirksamer Wachtposten für den Suezkanal.“

Dieses Argument fand Anklang beim britischen Ableger der Bankiersfamilie Rothschild, größter Besitzer von Suezkanal-Aktien und auch inzwischen prominentester Spender für den zionistischen Finanzapparat, den Jüdischen Nationalfonds. Unmittelbar nach der bolschewistischen Revolution und dem Rückzug Russlands aus dem Krieg erließen die Briten – um sowohl jüdische Unterstützung für den Krieg zu mobilisieren als auch zionistische Unterstützung für britische imperiale Ambitionen im arabischen Osten – am 2. November 1917 die Balfour-Deklaration, die eine „jüdische Nationalheimat“ in Palästina versprach1

Vor der Zerschlagung des Osmanischen Reiches existierte keine palästinensische Nation als solche, zumindest nicht im modernen Sinne einer Nation. Stattdessen betrachteten sich arabische Nationalisten, die in palästinensischen Städten lebten, als Teil Syriens und nahmen im Juli 1919 am Syrischen Nationalkongress teil. Auf der Grundlage von Wilsons Vierzehn Punkten und von Versprechungen, die sowohl Frankreich als auch Britannien den Arabern gemacht hatten, proklamierte dieser Kongress die politische Unabhängigkeit eines vereinigten syrischen Staates (Syrien, Libanon, Palästina und Transjordanien). Dieser Staat sollte eine konstitutionelle Monarchie sein unter der Herrschaft von Husseins Sohn Faisal.

Auf diese Weise wurde das „gelobte Land“ gleichzeitig dem britischen Imperialismus, den Juden und den Arabern versprochen. Der Sykes-Picot-Vertrag wurde auf der SanRemo-Konferenz bestätigt und dann durchgesetzt, als französische Truppen Damaskus besetzten und „König“ Faisal verjagten. Die Briten gaben Faisal den irakischen Thron als Trostpreis, trennten Transjordanien von Palästina ab und erkannten den Bruder Faisals, Abdullah, als Emir von Transjordanien an.

Zionismus und Kolonialismus

Vor dem Ersten Weltkrieg gab es in Palästina jüdische Kolonisation durch religiöse Gemeinschaften, die dem politischen Zionismus feindlich gegenüberstanden. Spätere Kolonisierung durch jüdische Unternehmer, die Palästina kolonisieren wollten, um arabische Arbeitskraft auszubeuten – in der Tradition der französischen Kolonisierung Algeriens und Tunesiens –, wurde durch die Palestine Jewish Colonization Association gefördert. Die PJCA wurde von den Rothschilds unterstützt, stand dem politischen Zionismus feindlich gegenüber und kam bald mit ihm in Konflikt.

Zionismus war durch ein ausgeklügeltes, ja sogar „marxistisches“ Verständnis der „jüdischen Frage“ motiviert; er erkannte die Juden als eine „Völksklasse“, deren ökonomische Funktion als Händler und Geldverleiher überholt war. Aber der Zionismus suchte die Lösung der „jüdischen Frage“ nicht bei dem assimilierten Juden Marx, sondern bei dem Antisemiten Proudhon. Der Jude sollte vom Stigma des Ghettos befreit werden durch die Schaffung seines eigenen Ghetto-Staates. Die Transformation des Juden vom Geldverleiher und Händler zum Proletarier und Bauern sollte in einer rassisch abgeschlossenen, abgetrennten Wirtschaft vor sich gehen.

Der Zionismus ging nach Palästina unter den Losungen „Eroberung der Arbeit“ und „Eroberung des Landes“, wohlwissend, dass Arbeit und Land den Arabern entrissen werden sollten. Schon im Juni 1895 schrieb Theodor Herzl in sein Tagebuch:

„Den Privatbesitz der angewiesenen Ländereien müssen wir sachte expropriiren.
Die arme Bevölkerung trachten wir unbemerkt über die Grenze zu schaffen, indem wir ihr in den Durchzugsländern Arbeit verschaffen, aber in unserem eigenen Lande jederlei Arbeit verweigern.
Die besitzende Bevölkerung wird zu uns übergehen. Das Expropriationswerk muss ebenso wie die Fortschaffung der Armen, mit Zartheit und Behutsamkeit erfolgen.
Die Immobilienbesitzer sollen glauben, uns zu prellen, uns über dem Werth zu verkaufen.
Aber zurückverkauft wird ihnen nichts.“
Theodor Herzls Tagebücher, 1895-1904 Erster Band

Dies war eine akkurate Prognose der nächsten 55 Jahre des Zionismus im arabischen Osten, nur ging die Eroberung weder behutsam noch friedlich vonstatten, und der größte Teil des Landes, das den modernen israelischen Staat ausmacht, wurde auch nicht „gekauft“, schon gar nicht „über dem Wert“, sondern durch offenen Terror, Einschüchterung und militärische Gewalt geraubt. Im Gegensatz zum klassischen Kolonialismus und Imperialismus, der Siedlerkolonien schuf, um einheimische Arbeitskraft auszubeuten, kolonisierte der Zionismus, um einheimische Arbeiter zu vertreiben. Die Auswirkungen der zionistischen „Eroberung der Arbeit“ auf die einheimischen Palästinenser waren viel bösartiger und verheerender als die Rolle der Briten in Rhodesien, der Portugiesen in Angola oder der Franzosen in Algerien; den Palästinensern wurde nicht nur ihre nationale Unabhängigkeit geraubt, sondern schließlich jegliche Verbindung zur gesellschaftlichen Produktion überhaupt.

Der Stolz der „linken“ Zionisten – der alten Poale Zion, die einmal sogar Aufnahme in die Kommunistische Internationale beantragt hatte, und der Haschomer Hazair (Junge Garde) – waren die so genannten Zwillingssäulen des zionistischen „Sozialismus“: Histadrut und Kibbuz. Diese Institutionen verkörperten jedoch die reaktionären rassistischen Losungen „Eroberung der Arbeit“ und „Eroberung des Landes“. Die Histadrut wurde 1920 als „Allgemeine Föderation der hebräischen Arbeiter im Lande Israel“ gegründet von 4500 der 5000 jüdischen Arbeiter in Palästina. Zu jener Zeit gab es zehnmal so viele arabische Arbeiter in Palästina, aber sie waren von der Histadrut ausgeschlossen.

Tatsächlich wurde die Histadrut nicht zu dem Zweck gegründet, das jüdische Proletariat in Palästina zu verteidigen, sondern um das arabische Proletariat in Palästina zu zerstören! Ihre ersten Aktivitäten waren Boykottmaßnahmen gegen Geschäfte (sowohl jüdische wie auch arabische), die arabische Arbeiter beschäftigten, die physische Einschüchterung von Juden, die auf dem arabischen Markt einkauften, sowie von arabischen Arbeitern, die für Juden arbeiteten.

Die Kibbuzim waren ursprünglich gegründet worden, um die jüdische Gemeinschaft zum landwirtschaftlichen Selbstversorger zu machen, aber sie sahen zunehmend US-Armee-Forts im „Wilden Westen“ ähnlicher als Agrarsiedlungen. Wie Arnos Perlmutter in seinem Buch Military and Politics in Israel zeigt, waren die Kibbuzim die Grundlage für Israels moderne Armee, und Kibbuzniks stellten sowohl die Elite des Generalstabs als auch das Herz des Verteidigungsministeriums. Die Hagana war ursprünglich der Verteidigungsarm der Kibbuzim, eine Art Bauernmiliz.

Vor dem Krieg von 1948 war, wie Herzl gefordert hatte, der größte Teil des von der Kibbuz-Bewegung in Anspruch genommenen Landes gekauft worden, im Allgemeinen von nichtansässigen Landbesitzern zu „über dem Wert“. Die Jewish Agency, die unter dem britischen Mandat etablierte jüdische Schattenregierung, sagte 1929 vor der Shaw-Kommission aus, dass 90 Prozent des bis zu diesem Zeitpunkt gekauften Landes von nichtansässigen Grundbesitzern stammten. Ein Teil dieser Ländereien war zuvor unkultivierte Wüste und Sumpfgebiet, aber aus einem großen Teil – besonders in der Küstenebene nahe Haifa – waren tausende arabischer Pächter vertrieben worden, um Platz zu machen für jüdische Siedlungen.

Dies führte einerseits zu Landspekulation und Inflation und danach zum wirtschaftlichen Aufschwung/Zusammenbruch in der Periode 1925-27; andererseits entstand ein landloses Bauerntum und Lumpenproletariat in den Städten. Da keine starke proletarische Bewegung oder auch nur eine republikanische bürgerlich-nationalistische Bewegung existierte, konnten diese deklassierten Elemente leicht von muslimischen religiösen Führern wie dem Großmufti von Jerusalem zu interkommunalen Auseinandersetzungen mit den jüdischen Gemeinden aufgehetzt werden. So fanden die Aufstände von 1929 nicht zwischen der palästinensisch-arabischen und der hebräischen Nationalität statt, sondern zwischen islamischen und orthodoxjüdischen Gemeinschaften. Auslöser für die Aufstände 1929 war ausgerechnet ein Kampf um die alte „Klagemauer“ in Jerusalem.

Zionismus und die Arbeiterbewegung

Wo arabische und jüdische Arbeiter gezwungen waren, miteinander zu arbeiten, wie auf den Docks in der Hafenstadt Haifa, gab es nur sehr wenige interkommunale Auseinandersetzungen. Arabische und jüdische Arbeiter überquerten oft die Linien von Rasse und Religion und hörten nicht auf ihre jeweilige klerikalistisch-chauvinistische Führung; sie traten gemeinsam in Streikaktionen. Aber insgesamt hat der Zionismus in Zusammenarbeit mit dem britischen Imperialismus bewirkt, die Entwicklung einer vereinigten arabisch-hebräischen Arbeiterbewegung zu verhindern und auch die Entwicklung eines palästinensischen Proletariats oder selbst einer palästinensischen Bourgeoisie zu hemmen.

Das arabische Palästina war überwiegend ländlich und setzte sich zusammen aus einer armen Bauernschaft, den Fellachen, einer reichen Landbesitzerklasse, den Effendis, und einer winzigen Mittelklasse. Die Effendis waren meist wie der Mufti, Haj Amin el Husseini, auch religiöse Führer, und sie waren untereinander entlang Familienlinien gespalten. Jede Familie organisierte ihre eigene „politische Partei“. Der Mufti organisierte also eine „Palästinensisch-Arabische Partei“; ein anderer reicher prominenter Effendi-Clan, die Nashashibis (traditionelle Gegner der Husseinis), organisierte eine „Nationale Verteidigungspartei“ usw. Bei ihren Familienfehden versuchten sie die Briten und die Zionisten gegeneinander auszuspielen, aber meistens erfolglos.

Eine weitere Barriere zur arabisch-hebräischen proletarischen Einheit war die verräterische Rolle des palästinensischen Stalinismus. In ihren frühen Jahren hatte die Kommunistische Partei Palästinas (KPP) einen bescheidenen, aber reellen Einfluss unter jüdischen Arbeitern. Sie konnte jedoch keine Organisation aufbauen, weil sie jenen hebräischen Arbeitern, die sie rekrutierte, korrekterweise sagte, sie sollten in ihre Ursprungsländer zurückkehren, um sich dort der revolutionären Bewegung anzuschließen. (Eine bedeutende Anzahl der Komintern-Agenten in Europa zwischen den Kriegen waren ehemalige Mitglieder der KPP, die diesem Rat folgten. Einer von ihnen war Leopold Trepper, Führer des berühmten sowjetischen Nachrichtennetzes „Rote Kapelle“ während des Zweiten Weltkriegs.)

Die Partei erkannte von Anfang an die Notwendigkeit, die arabischen Arbeiter und Fellachen zu erreichen, aber unter der Komintern Stalins nahm „Arabisierung“ eine andere Bedeutung an. Während der Aufstände 1929 spielte die KPP eine im wesentlichen korrekte Rolle, sie versuchte die interkommunalen Auseinandersetzungen zu beenden, gab dem Mandat die Verantwortung, verteidigte die jüdischen Viertel und wies auf die Situation in Haifa als ein Modell hin (wo die bewusstesten Arbeiter, arabische und hebräische, sich weigerten, sich in die Auseinandersetzungen hineinziehen zu lassen). Aber die Stalintern denunzierte die Rolle der KPP in den Aufständen 1929 und forderte die Säuberung all jener Parteimitglieder, die nicht „die Ansicht teilen, dass der August-Aufstand das Ergebnis der Radikalisierung der Massen war“.

Diese Ansicht war selbstverständlich unter den hebräischen Arbeitern nicht gerade populär, und so begann die KPP, getrennte Propaganda herauszugeben. Für die hebräischen Arbeiter betonte sie arabisch-hebräische Klasseneinheit, und für die arabischen Arbeiter wurde die KPP im Wesentlichen zum radikaleren Sprachrohr des Muftis. Dies legte die Grundlage für die spätere Spaltung der Partei in ihre jüdische und arabische Komponente, erstere wurde prozionistisch, letztere proarabisch-nationalistisch. Das ist die Logik des Stalinismus und des Nationalismus.

Jüdische Massenimmigration

Zwischen 1919 und 1931 wanderten etwa 117000 Juden in Palästina ein. Aber das harte Leben, die feindliche Umgebung, die rassischen/religiösen Spannungen, die Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrise der späten zwanziger Jahre bewegten viele, nach kurzem Aufenthalt wieder zu gehen. Zwischen 1924 und 1931 kamen auf 100 Juden, die ankamen, 29 Juden, die wieder fortgingen. 1931 gab es bei einer Gesamtbevölkerung von 1 036 000 eine jüdische Bevölkerung von 175 000, das entspricht 17,7 Prozent.

Ohne Hitlers Sieg 1933 und die darauf folgende Schließung der Grenzen für die jüdische Immigration – besonders der Grenzen der USA, Britanniens und der Sowjetunion, wo Juden aus Ost- und Mitteleuropa sich am leichtesten hätten assimilieren können – wäre der Zionismus nie eine Massenbewegung und die „jüdische Nationalheimat“ in Palästina nie ein Staat geworden. Die Jewish Agency, die vorgab, alle Juden zu repräsentieren, nicht nur die Juden in Israel, tat nichts, um die Grenzen der USA, Britanniens und der UdSSR für jüdische Immigration zu öffnen. Ganz im Gegenteil, sie wollte „ihre“ Juden für die Kolonisierung Palästinas. Und nicht nur Roosevelt, Churchill und Stalin wollten die Juden dort sehen, sondern auch Hitler.

Vor dem Zweiten Weltkrieg kamen die Jewish Agency und die Nazis zu gleichen Überlegungen darüber, wie Ostund Mitteleuropa „seine Juden loswerden“ könnte. Die „verantwortungsbewusstesten“, „respektiertesten“, „prominentesten“ Zionisten prahlen sehr bereitwillig damit, dass durch ihre Kollaboration mit den Nazis einige tausend Juden mit ausreichend Geld und den richtigen Beziehungen „gerettet“ worden seien, während Millionen in die Gaskammern geschickt wurden. So schrieben beispielsweise der führende britische Zionist Jon Kimche und sein Bruder David (der nach der „Unabhängigkeit“ in den israelischen diplomatischen Dienst eintrat) ein Buch mit dem Titel The Secret Roads: The "Illegal" Migration of a People, 1938-1948 [Geheime Wege: Die „illegale“ Migration eines Volkes 1938- 1948] (London, 1954). Es lohnt sich, daraus ausführlich zu zitieren:

„Bar-Gilad [ein Kibbuz-Führer] erklärte, dass er die Erlaubnis wolle, Pionier-Ausbildungslager zu errichten, um junge Leute für die Arbeit in Palästina auszubilden und so schnell wie möglich für ihre Auswanderung zu sorgen. Bar-Gilad konnte nicht wissen, dass der Mann, mit demer sprach, der Hauptautor der Idee der ,jüdischen Auswanderung auf Bezahlung‘ war. Eichmanns Zentralstelle war ursprünglich genau zu diesem Zweck gedacht. Alle jüdischen Anträge, Großdeutschland verlassen zu können, sollten ihm vorgelegt werden. Für alle, die seine Dienste bezahlen konnten - und seine Preise entsprachen dem Grad der Besorgnis seiner wohlhabenden Juden – würde Eichmann die bürokratischen Formalitäten und Verzögerungen hinwegfegen, Pässe und Visa ausstellen und die Überfahrt organisieren... Es war ein lukratives Geschäft für die Gestapo.“
„...[Eichmann] stellte die Bauernhöfe und die Ausrüstung zur Verfügung. In einem Fall vertrieb er eine Gruppe von Nonnen aus einem Kloster, um ein Ausbildungslager für junge Juden bereitzustellen. Ende 1938 trainierten etwa tausend junge Juden in diesen von den Nazis zur Verfügung gestellten Lagern.“

Der Geist von Arroganz und Realpolitik, der dieses Buch durchtränkt, die höchsten Qualitäten des zionistischen Selbstbildnisses des „neuen, harten Soldaten-Juden“, waren sicherlich notwendige „Tugenden“ einer zionistischen Intelligenz, die bald Apologet „ihres Staates“ werden sollte, der auf den Leichen von sechs Millionen Juden und dem Massenelend einer Million arabischer Flüchtlinge geboren wurde.

Der Zweite Weltkrieg

Obwohl die Führung des arabischen Aufstands 1936-39 klerikalistisch und mittelständisch war, war der Aufstand trotzdem ein echter Ausdruck des demokratischen Verlangens der Palästinenser. Die drei Forderungen des Aufstands waren das Ende der jüdischen Einwanderung, der Stopp von Landverkäufen an Juden und eine eigene Regierung. Die Zionisten waren immer Gegner einer Selbstregierung Palästinas, weil ihnen klar war, dass ein wirklich demokratisches Regime die Kontrolle der Einwanderung in die Hände der arabischen Mehrheit legen würde. Der Aufstand 1936-39 richtete sich hauptsächlich gegen die Briten und nicht gegen die jüdischen Gemeinden. Trotzdem waren die Zionisten nur allzu bereit, den Briten zu helfen, um den Schutz des britischen Mandats zu erhalten. In dieser Periode während der langen arabischen Unruhe stärkten die Zionisten ihre Wirtschaft. (Die Revolte begann mit der Schließung arabischer Geschäfte, geführt von der Mittelklasse, als Protest gegen die projüdische Politik der Briten. Dann folgte ein von arabischen Arbeitern und Fellachen geführter Guerillakrieg.) Sie stärkten unter dem Schutz der Briten auch ihre Armee, die Hagana, um an britischen Polizeiaktionen gegen die Araber teilzunehmen. So wurde beispielsweise die Hagana von den britischen Mandatsbehörden beauftragt, britische Ölpipelines zu bewachen. Ohne die Kollaboration der Zionisten hätte der Streik nicht gebrochen und der Aufstand nicht unterdrückt werden können.

Zwanzig Jahre Herrschaft des britischen Imperialismus im Nahen Osten hatten bewirkt, dass sich am Vorabend des Zweiten Weltkriegs viele arabische Regierungen den Achsenmächten zuwandten. Um ihre wackelige arabische Unterstützung aufzustocken, waren die Briten gerne bereit, ihre treuen zionistischen Diener im Stich zu lassen. 1939 gaben sie ein neues „Weißbuch“ heraus, das die jüdische Einwanderung in den folgenden fünf Jahren auf 75 000 beschränkte und danach von der Zutimmung der arabischen Mehrheit abhängig machte. Und die Juden aus den europäischen Vertriebenenlagern – denen ein „sicherer Hafen“ in Palästina versprochen worden war – waren nicht nur von feindlichen britischen Streitkräften und den Achsenmächten freundlich gesonnenen arabischen Regierungen und Putschen umringt, sondern in Palästina selbst drohte eine deutsche Besetzung.

Am Ende des zweiten imperialistischen Krieges war Britannien, obwohl militärisch „siegreich“, ausgeblutet und lag in Trümmern. Eine von Attlee geführte Labour-Regierung, durch die Wahlen 1945 an die Macht gespült, erhielt von der britischen Bourgeoisie die undankbare Aufgabe, das britische Empire wieder zusammenzuflicken – und dabei die Verluste so gering wie möglich zu halten. Obwohl die Labour Party in der gleichen „Internationale“ wie die zionistischen „Sozialisten“ war und in elf früheren Konferenzen für einen jüdischen Staat gestimmt hatte, war Palästina trotzdem der britische „Rückzugsposten“ im arabischen Osten, und Attlee und sein Außenminister Bevin waren entschlossen, mit der Zähigkeit einer Bulldogge daran festzuhalten.

Bevin befahl, baufällige Schiffe zu requirieren, die vollgestopft waren mit der „Fracht“ verzweifelter Überlebender deutscher Konzentrationslager, wie die aus dem zionistischen Kinoepos bekannte Exodus 1947, und er ordnete an, diese „Fracht“ solle entweder zurück nach Deutschland geschickt oder in speziell dafür eingerichteten Konzentrationslagern auf Zypern „gelagert“ werden. Auf der jährlichen Parteikonferenz der Labour Party im Juni 1946, der ersten seit dem Wahlsieg im Jahr davor, hatte Bevin eine fertige Antwort parat für die lautstarken und selbstgerechten Wellen der Empörung, die über den Atlantik aus den Vereinigten Staaten kamen. Die USA wollten die Juden in Palästina, „weil sie sie in New York nicht haben wollten“. Das war natürlich wahr, aber aus dem Munde von Bevin genauso heuchlerisch, weil die Labour-Regierung die Juden auch nicht in London haben wollte. Bevin machte auf dieser Konferenz auch ganz klar, warum er die übrigen 100 000 Juden in Vertriebenenlagern nicht nach Palästina lassenwollte: Das würde Britannien eine zusätzliche Armeedivision und 200 Millionen Pfund kosten. Wie es Sir John Glubb in seinem Buch Soldier with the Arabs [Soldat mit den Arabern] (London, 1957) formulierte: „Die Frage war, wie viele Truppendivisionen notwendig sein würden, um einen dreiseitigen Bürgerkrieg gleichzeitig gegen Juden und Araber zu bestreiten.“

Die USA eilten herbei, um sich an die Stelle der zerbröckelnden Reiche der Briten und Franzosen in Asien und im arabischen Osten zu setzen, und das Zentrum imperialistischer Patenschaft für den Zionismus verschob sich von London nach Washington. Truman wurde der Vorkämpfer für die „100 000“, nicht nur weil er sie nicht in New York haben wollte, sondern weil er wusste, dass Britannien es sich tatsächlich nicht leisten konnte, eine zusätzliche Division und 200 Millionen Pfund in Palästina zu investieren. Britannien konnte es sich nicht einmal leisten, ein Fünftel seiner Armee und die 35 Millionen Pfund einzusetzen, die nötig waren, um Palästina nach dem Zweiten Weltkrieg zu halten.

Die USA wollten schnell im arabischen Osten Fuß fassen. Sie fürchteten, die UdSSR würde in Persien das Gleiche tun wie in der Tschechoslowakei. Außerdem hatte sich nach Chaim Weizmann nun auch Britannien in der Schlange der Wohlfahrtsempfänger vor dem Weißen Haus angestellt, und die USA konnten einen enormen ökonomischen Druck auf England ausüben. Anfang 1947 hatte die Attlee-Regierung beschlossen, sich nicht länger die Hände mit Palästina schmutzig zu machen und das Problem der UNO zu übergeben. Stalin, eher durch irrationale Anglophobie als durch beschränkte konservativ-bürokratische Realpolitik motiviert machte gemeinsame Sache mit Truman und unterstützte ebenfalls die Teilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat. (Der Preis des Thermidors2 ist, dass die persönliche Laune des obersten Führers manchmal sogar den Interessen der bürokratischen Kaste, die er vertritt, widersprechen kann.) So wurde Stalin, der 1929 die Kommunistische Partei Palästinas säuberte und denunzierte, weil sie die arabischen Pogrome nicht unterstützte, und der 1936 die KPP dazu brachte, sich hinter den Mufti zu stellen, in den Jahren 1947/48 zum energischsten Verbündeten des Zionismus. Bestechung durch den Marshall-Plan zusammen mit stalinistischem Verrat führte dann dazu, dass die UNO am 29. November 1947 die Resolution zur Aufteilung Palästinas annahm. Britannien stimmte dann zu, sein Mandat zum kommenden 14. Mai aufzugeben.


  1. 1. Die Balfour-Deklaration wurde am 9. November 1917 veröffentlicht, zwei Tage nach der bolschewistischen Revolution.
  2. 2.Die Usurpierung der politischen Macht durch die stalinistische Bürokratie in der Sowjetunion.

Zu Teil 2: Die Geburt des zionistischen Staates, Teil 2 (24. Mai 1974)