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Januar 2023

Allesamt NATO-Sozialisten, Handlanger des deutschen Imperialismus

Gleichschaltung der Linken
in der „Zeitenwende“


Schulterschluss im Bundestag als alle Parteien erklären, Russlands militärische Aktion in der Ukraine sei „völkerrechtswidrig“. Das Parlament des deutschen Imperialismus zieht mit „großer Einigkeit“ in den Krieg. Bei der Debatte am 27. Februar sagt die Sprecherin der Linksfraktion Amira Mohamed Ali (am Rednerpult oben und unten links) zu Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Die Linke habe viele Passagen aus dem Regierungsantrag einfach kopiert und geklebt.  (Foto: YouTube / Die Linke)

Als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am 27. Februar im Bundestag in seiner Regierungserklärung eine „Zeitenwende“ proklamierte und Russland anklagte, einen Angriffskrieg zu führen, der „völkerrechtswidrig“ und „durch nichts und niemanden zu rechtfertigen“ sei, erhielt er, laut dem offiziellen Protokoll, den Beifall nicht nur der Parteien seiner rot-gelb-grünen „Ampelkoalition“ (SPD, FDP, Grüne) sondern auch der Christdemokraten, der Linkspartei und einiger Abgeordneten der AfD (Alternative für Deutschland). Als er dann Waffenlieferungen an die Ukraine verkündete, und die Einrichtung eines „Sondervermögens Bundeswehr“ von 100 Milliarden Euro zur Aufrüstung der deutschen Streitkräfte, sogar mit grundgesetzlicher Versicherung, klatschten nur seine Ampel-Kollegen und die CDU/CSU.

Danach kamen Redner der verschiedenen Parteien zu Wort, darunter der Linkspartei. Von der Linken hören wir denselben O-Ton wie vom Sozialdemokraten Scholz: „Wir teilen natürlich klar die Auffassung, dass Russland einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt.“ So die Ko-Vorsitzende der Linksfraktion, Amira Mohammed Ali. Der russische Angriff sei „durch nichts zu relativieren, durch nichts zu rechtfertigen“, die russischen Soldaten „müssen sofort zurückgezogen werden“. Sanktionen? „Sinnvoll“ wenn sie Putin und russische Oligarchen treffen. Waffen an die Ukraine? Darüber legt die Linkspartei einen Entschließungsantrag ein, der den vorherigen, heuchlerischen Standpunkt aller Bundestagparteien bekräftigt, keine Waffen in Kriegsgebiete zu liefern. Aber, sagt sie zu Scholz, beim Verurteilen des russischen Angriffs herrscht „unter den demokratischen Fraktionen in diesem Haus große Einigkeit“. Deshalb seien im Antrag der Linksfraktion, „viele Passagen Ihres Antrags auch wörtlich übernommen“. Zur Anstiftung des Kriegs durch die NATO? Die faschistische Verseuchung des Kiewer Regimes? Kein Wort.

Also, Schulterschluss der „demokratischen Fraktionen“ im Bundestag. Das Parlament des deutschen Imperialismus zieht mit „großer Einigkeit“ in den Krieg. Die Westmächte hatten den Krieg in der Ukraine angezettelt, indem ihr Militärbündnis, die NATO, Russland umzingelte, und damit ihre Zusicherung zerriss, sie würde sich „kein Zoll“ gen Osten ausdehnen, Bedingung für die kapitalistische Wiedervereinigung Deutschlands 1990; indem die USA und EU 2004 eine „Farbrevolution“1 in Kiew und 2014 einen Staatsstreich inszenierten, von Faschisten und Ultranationalisten angeführt, und die gewählte „pro-russische“ Regierung stürzte; indem sie jährlich groß angelegte „Kriegsspiele“ abhalten, um eine Invasion Russlands zu üben; indem sie sich kategorisch weigerten, Moskau irgendwelche Sicherheitsgarantien zu geben. Nach all dem, was tut Die Linke? Sie stimmt dem Kriegsplädoyer der NATO gegen Russland zu. Kurz: Die Linkspartei, Sozialdemokraten der zweiten Mobilisierung, sind auch Sozialimperialisten, so wie ihre großen Brüder der SPD, nur mit hauchdünnem pazifistischem Feigenblatt.

Nur seitens der ultrarechte Alternative für Deutschland war die Ausdehnung der NATO an die Grenze Russlands überhaupt erwähnt; dass die deutsche Regierung die Ukraine mit „falschen Versprechen …. in die EU und in die NATO gelockt“ habe; dass Berlin die Ukraine acht Jahre lang finanzierte, und dass die Regierung sowie Scholz persönlich (als Vizekanzler der von Angela Merkel geleiteten Großen Koalition 2018-2021) „Mitverantwortung“ für den Krieg tragen. Sicher, für die faschistoide AfD dienen solche „Anti-Kriegs“-Töne als Augenwischerei für ihre rassistische Hetz-Kampagne gegen Flüchtlinge und Multikulturalismus, und ihrem Aufruf zur „größten Aufrüstungsoffensive nach dem Zweiten Weltkrieg“, die sich weit über die 100 Milliarden Euro ausdehnen wird. Und klar, auch diese Erzreaktionäre etikettieren den russischen Krieg als „Völkerrechtsbruch“.


Die Linke Wedding (Berlin) bei der Großdemonstration vom 27. Februar 2022 gegen den Einmarsch Russlands in die Ukraine und für „Solidarität“ mit der Ukraine, und so mit seiner von Faschisten durchseuchten Regierung und Streitkräften. (Foto: Die Linke Wedding)

In Wirklichkeit ist das „Völkerrecht“ reine Fiktion. „Angriffskriege“ seien verboten? Und die Kriege des US-Imperialismus in Vietnam, Afghanistan (mit deutscher Beteiligung) und Irak? Staatsgrenzen darf man nie mit militärischer Gewalt ändern? Was ist also mit der Zerstörung des multinationalen Jugoslawiens, angefangen mit Berlins Anerkennung der Unabhängigkeit Kroatiens und Sloweniens, und der massiven Lieferung von Waffen aus Deutschland an die faschistoide kroatische Regierung von Franjo Tuđman? Abtrünnige Gebiete (wie Donezk und Lugansk) dürfen nicht „einseitig“ aus einem international anerkannten Staat aussteigen, besonders nicht mit „fremder“ militärischer Unterstützung? Und die Geburt eines ethnisch-albanischen Staates Kosovo, mit Beihilfe der Militär-Hebammen der USA/NATO? Allerdings spricht die USA nie vom „Völkerrecht“, nur von einer „regelbasierten Weltordnung“ … nach den Regeln Washingtons. Die USA weigert sich, Urteile des Internationalen Gerichtshofs unbedingt anzunehmen, seit dieser 1986 den US-Contra-Krieg in Nicaragua für völkerrechtswidrig erklärte.

Während sämtliche Bundestagsparteien – bürgerliche sowie sozialdemokratische – die Kriegstrommeln gegen einen vermeintlich „völkerrechtswidrigen“ russischen „Angriffskrieg“ gegen die Ukraine rührten, haben wir Trotzkisten der Liga für die Vierte Internationale die Verantwortung der NATO für die Anzettelung des nationalistischen (auf beiden Seiten) russisch-ukrainischen Krieges unterstrichen. Wir riefen dazu auf, den Kriegskurs der USA und der NATO gegen Russland und China, mitsamt ihren anti-russischen Sanktionen, zu zerschlagen. Und wie wir seit 2014 getan haben, bekräftigten wir die Verteidigung der „Volksrepubliken“ von Donezk und Lugansk und betonten, die ukrainischen Nationalisten/Faschisten, Antreiber der ethnischen Säuberung der russisch-sprachigen Bevölkerung des Donbass, müssen permanent gestoppt werden. Jetzt, wo sich der Konflikt in einen Krieg der NATO, vermittelt über das Kiewer Stellvertreter-Regime, gegen Russland umgewandelt hat, unterstreichen wir, dass es die Pflicht aller Gegner des Imperialismus sei, Russland und China gegen den imperialistischen Krieg zu verteidigen.

Dabei hat die LVI keine politische Unterstützung an irgendeinen der Kontrahenten gegeben und immer zum revolutionären Arbeiterkampf gegen die kapitalistischen Machthaber in Kiew und Moskau aufgerufen. Wir stützen uns auf die leninistischen Lehren des I. Weltkriegs und beharren darauf, dass der Hauptfeind der Imperialismus ist, der durch den Kampf für die internationale sozialistische Revolution besiegt werden muss. Damit hat die LVI beim Ausbruch eines umfassenden Russland-Ukraine-Kriegs, und später dessen Umwandlung in einen Stellvertreter-Krieg der NATO gegen Russland, mit Festigkeit gehandelt, nach Kriterien die wir schon vorher festgelegt hatten. Anders ist es mit dem Großteil der Linken gewesen, wo der Russland-Ukraine-Krieg die größte Verwirrung, programmatisches Wanken und politisches Durcheinander seit Jahrzehnten hervorgebracht hat. Die Pseudo-Trotzkisten kuscheln mit pro-ukrainischen imperialistischen „Friedens“-Demos und versuchen ihren Verrat mit leeren, NATO-kritischen Formeln zu decken. Die Rest-Stalinisten, nationalistische Widersacher des revolutionär-internationalistischen Programms Lenins, fragen sich, ob Russland imperialistisch sei oder nicht.

Man stelle sich vor: die Imperialisten führen einen Krieg in Europa, und während die Sozial-Imperialisten in der Regierung (SPD), zusammen mit den Grünen-Kriegshetzern, ihn vorantreiben, begleiten sie diejenigen in Wartestellung (Die Linke) „kritisch“ (oder unkritisch), während andere Linken paralysiert sind! Ihre reformistische Politik verschiedenster Couleurs, und ihr eingefleischter Opportunismus, verbietet ihnen, das Wesentliche zu sagen: „der Hauptfeind steht in diesem Land“. Und, gerade weil es ihnen unmöglich ist, einen revolutionären Klassenkampf gegen den imperialistischen Feind zu führen, verursacht diese Kapitulation die schändliche Lage, dass es Rechtsaußen sind, die Anti-Kriegs-Proteste anleiten! Um den augenfälligen Zusammenbruch der Linken zu bekämpfen, ist ein hartnäckiges programmatisches Ringen erforderlich, um den Kern einer authentisch leninistisch-trotzkistischen Avantgardepartei der Arbeiterklasse zu schmieden, die fähig ist, die Befreiung aller Unterdrückten zu erkämpfen – durch internationale sozialistische Revolution.

Die Linke auf Kriegskurs

Ko-Vorsitzende der Linkspartei, Mitglied des Bundestags Janine Wissler und Mitglied des Europäischen Parlaments Martin Schirdewan am Erfurter Parteitag, 26. Juni 2022. Wissler sagt, die Partei befinde sich in einer „existenzbedrohenden“ Krise. Sollte Die Linke wegen Stimmenverlusts bei den Wahlen ihre Fraktionsstatus im Bundestag oder Ländertagen verlieren, könnte es das finanzielle Aus bedeuten, da die Partei, dem bürgerlichen Parlamentarismus gewidmet, einer Schätzung nach, vom Staat über 150 Millionen Euro jährlich bekommt. (Foto: dpa)

Während der Hauptagent der pro-imperialistischen deutschen Sozialdemokratie, die SPD, direkt in der Regierung das mörderische Schlachten vorantreibt, ist Die Linke als Hilfskraft und Junior-Sozialdemokratie formell noch in der Opposition – zumindest auf Bundesebene. Doch statt einen echten Widerstand zu leisten, ist sie dessen Antithese. Verschiedene Linke in und um die Linkspartei möchten, dass diese die Rolle des Widerparts glaubhafter spiele. Aber ihr Tanz um diesen Schatten einer Opposition ist nur ein abgekartetes Schauspiel auf der großen Bühne des Klassenverrats. Die Linkspartei - samt ihren Anhängern - erfüllt ihren Zweck, für den sie existiert, ihre Rolle als Verhüter und Abtreiber der Wiedergeburt einer proletarischen revolutionären Bewegung. Sie hält den Deckel auf dem brodelnden Topf der kapitalistischen Krisen und schwört die Arbeiterklasse auf den imperialistischen Kriegskurs ein. Es ist nicht auszuschließen, dass Die Linke Bestandteil einer künftigen Bundesregierung sein könnte, wenn ihre Dienste zum Niederhalten von Arbeiterunruhen benötigt würden oder die Kriegsmüdigkeit stärker wird.

Aus dem Ende Juni 2022 abgehaltenen Erfurter Parteitag von Die Linke gingen die pro-NATO Kräfte gestärkt hervor, der imperialistische Kurs im Ukraine-Russland-Krieg blieb von ihr unangetastet, mehrheitlich unterstützt mit „Alternativen“ zu Waffenlieferungen. Zentral war die Debatte um den Leitantrag 3 des Parteivorstands, „Kriege und Aufrüstung stoppen“. Dieser machte allein Russland für den Krieg in der Ukraine verantwortlich, forderte den russischen Truppenabzug und machte Vorschläge an die Imperialisten, wie sie ihre Sanktionspolitik verbessern und ändern sollten, faktisch um einen Regime-Change in Russland zu fördern. Er stellte die NATO als ein Militärbündnis dar, das zwar manchmal über die Strenge schlage, was man kritisiert habe – bei welcher Kritik man aber vergessen habe, dass auch andere, namentlich Russland, „imperiale Kriege“ führten. Auch der deformierte Arbeiterstaat China wurde ins Visier genommen. Und das wärs: die NATO-Osterweiterung und die Rolle dieses imperialistischen militärischen Bündnisses bei der Anstiftung dieses Krieges blieben unerwähnt.

Zwar hat die Parteileitung einen Antrag, der die Waffenlieferung an die Ukraine zu legitimieren versuchte, nicht angenommen. Das wird später kommen, als Voraussetzung von der Bourgeoisie verlangt, ehe sie Die Linke an ihre Regierungsgeschäfte Hand anlegen lässt. Darüber hinaus, wie oben gesagt, wird mit dieser Ablehnung nur die herkömmliche Politik des deutschen Imperialismus aus der Vor-24.2.-Epoche bekräftigt. Auf jeden Fall wachsen die offen kriegstreiberischen Kräfte innerhalb der Linkspartei über Gregor Gysi hinaus: jetzt gehört die Berliner Vorsitzende und neu gewählte stellvertretende Parteivorsitzende dazu. Mit der Bezichtigung Russlands, eine „imperialistische Politik“ zu betreiben, will Die Linke einen Kampf gegen die wirklichen Imperialisten und deren Militärbündnis NATO, und insbesondere gegen den deutschen Imperialismus, unterdrücken. In Anspielung des Satzes von Clausewitz, der Krieg sei die Fortführung der Politik mit anderen Mitteln, meint Die Linke, dass „Krieg kein Mittel der Politik sein darf.“ In Wirklichkeit, muss man sagen, ist die Politik der Linkspartei die Fortführung des NATO-Kriegs in der Ukraine mit anderen, „anti-militaristischen“ Mitteln.


„Friedenspanzer“ der Linkspartei bei einer Kundgebung in Neubrandenburg am 14. April 2022, bei der der Ko-Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, sprach. Bartsch kritisiert Erhöhung von Rüstungsausgaben, will aber die Ukraine in die Europäische Union mit Eilverfahren hineinbringen. Gerade die Lockung einer ukrainischen Mitgliedschaft in der EU war der Auslöser des nationalistischen/faschistischen Kiewer Putsch von 2014. (Foto: Ruptly-TV)

Ergänzend forderte die Ko-Vorsitzende der Linkspartei, Janine Wissler, ex-Pseudo-Trotzkistin aus der Tradition des Renegaten Tony Cliff, neben den Sanktionen gegen russische Eliten noch die Deckelung des Gaspreises, um das Verbot von russischem Erdgas erträglicher zu machen. Seinerseits wollte der Ko-Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, schnelle, ernsthafte Beitrittsverhandlungen für die Ukraine zur Europäischen Union. Mit den Austeritäts-Forderungen der EU wird dieser Beitritt die ukrainischen Werktätigen hart treffen, und dürfte die Abkopplung der Ukraine von Russland vollenden, die im ultrarechten Maidan-Putsch von 2014 vorangetrieben wurde. Im Grunde zielt die Politik der Linkspartei darauf ab, die Kriegsführung des deutschen Imperialismus zu verbessern. Mit ihrem „Kampf“ um eine Regierungsbeteiligung will sie die Austeritätspolitik, die Abschiebepolitik and die Kriegspolitik mitgestalten und mitverwalten. Sie will ihre Hand auf die Hebel des Unterdrückungsorgans der herrschenden Klasse zur Niederhaltung der unterdrückten Klassen haben. Die Politik von Die Linke ist schlicht Klassenverrat.

Dieser recht unverhüllte pro-imperialistische, pro-NATO-Kurs blieb zwar nicht ohne Widerstand, aber die Parteiführung konnte sich in allen kritischen Abstimmungen klar gegen die NATO-Kritiker in den eigenen Reihen durchsetzen. Dabei handelt es sich bei den NATO-Kritikern keineswegs um echte anti-Imperialisten, Sozialisten oder gar Revolutionäre. Der Ersetzungsantrag, von Linke-Europarlamentarierin Özlem Demirel eingebracht, hat 42% der Stimmen beim Parteitag erhalten. Aber die Differenzen mit der Parteiführung sind nur mit der Lupe festzustellen. Am Anfang erklärt er, „Nein zu Russlands Krieg – für den sofortigen Truppenrückzug“. Der „russische Angriffskrieg“ ist als „völkerrechtswidrig“ eingestuft, er verkündet die „Solidarität“ mit „den Ukrainer*innen, die sich gegen den russischen Angriff verteidigen“ – also mit dem ukrainischen Heer, einschließlich faschistischer Einheiten wie Asow. Obwohl er von „Mitverantwortung“ der NATO spricht, habe das mit dem Konflikt mit Russland, der dem Krieg „vorausging“, zu tun, während Putin allein am Krieg schuld sei.

Eine Delegierte von ukrainischer Herkunft beim Erfurter Parteitag der Linkspartei, in Nationaltracht samt Blumenkranz, tadelt Linke in der Partei, die sich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine aussprachen.

Die Linke-Dissidenten sind offensichtlich bemüht, sich vor dem allerneuesten K.o.-Schimpfwort „Putinversteher“ ihren guten Ruf – und für manche ihre bezahlten Ämter – zu behaupten. Außerdem verkündet ihr Antrag Unterstützung für den „‚Appell: Nein zum Krieg!‘ und Mobilisierungen der Friedensbewegung“. Dieser Appell, von Die Linke und SPDlern initiiert, drückt ihre Verbindung aus „mit den Hunderttausenden Menschen, die nach Beginn des Krieges … auf die Straße gingen und dort ihrer Empörung über Putins Krieg“, und „Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung“ Ausdruck verliehen: „Mit ihnen gemeinsam haben wir gegen Putins Krieg und für Frieden demon–striert“. Obwohl der Appell erklärt, „massive Hochrüstung der Bundeswehr hilft den Menschen in der Ukraine nicht“ und er die „Anschaffung von konventionellen Waffen“ kritisiert, haben diese Riesendemos, voller blau-gelber ukrainischer Fahnen, gerade für solche Aufrüstung plädiert. Mitsamt ihrem pseudo-pazifistischen Gerede dienen diese anti-russischen „Friedens“-Demonstrationen nur als Stimmungsmache für die imperialistische Kriegsmaschine.

Eine revolutionäre Antwort auf die Leiden und die berechtigten pazifistischen Stimmungen der breiten Masse der Werktätigen, in der Ukraine und anderswo, würde die Wut über die Folgen des imperialistischen Kriegs auf einer Klassenbasis organisieren. In Deutschland würde sie für die Abschaffung der imperialistischen Sanktionen, für die Einfuhr von russischem Gas (Nord Stream II in Betrieb setzen) und für Arbeiteraktionen gegen Waffenlieferungen und Militarisierung aufrufen. Sie würde vor allem die Niederlage der imperialistischen Kriegstreiber fordern, deren Ostausweitung der NATO den gegenwärtigen Krieg vorbereitete, und deren Weigerung, Russland irgendwelche Sicherheitsgarantien zu geben, der Auslöser des Kriegs war. Eine Partei, die solche Forderungen stellt, und in Taten umsetzt, wäre in kapitalistischen Parlamenten nicht willkommen, aber sie könnte einen revolutionären Kampf gegen diesen imperialistischen Krieg anführen.

Linken in Die Linke zur Anti-Russland-Front einberufen


Sozialimperialisten von Die Linke in „Einheitsfront“ mit imperialistischen Kriegstreibern (SPD, Jusos, und sogar Grüne und CDU), um „Solidarität“ mit der Ukraine zu verkünden in Weil und Menden, Februar-März 2022. 

Dann gibt es das Sammelsurium von kleineren Strömungen in und um Die Linke, worunter verschiedene sich fälschlicherweise als Trotzkisten ausgeben, obwohl ihre pro-imperialistische Politik das Gegenteil des kompromisslosen Kampfes von Leo Trotzki gegen den Imperialismus ist. Betrachten wir kurz die Stellungnahmen dieser Gruppen zum Russland-Ukraine Krieg.

Antikapitalistische Linke (AKL)2 „Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist ein Angriffskrieg gegen ein souveränes Land. Dieser Krieg ist völkerrechtswidrig!... Die AKL … fordert den sofortigen Rückzug aller Truppen und die Einstellung aller Kriegshandlungen. Dieser Krieg ist ein imperialistischer Krieg durch eine kapitalistische Regionalmacht gegen einen kleineren Staat.“ (Resolution der AKL, 10. April 2022)

Gruppe ArbeiterInnenmacht (GAM)3: „Sofortiger Abzug aller russischen Truppen aus der Ukraine! Anerkennung der ukrainischen Unabhängigkeit und Staatlichkeit durch Moskau! Keine Unterstützung für westliche Wirtschaftssanktionen gegen Russland! Für Arbeiter:innenaktionen, um die Lieferungen von Waffen und Munition an alle Kriegstreiber:innen zu stoppen, solange die Aggression andauert!“ (Erklärung der Liga für die Fünfte Internationale, 24. Februar 2022)

Internationale Sozialistische Organisation (ISO)4: „Um diesen Krieg zu beenden, muss Putins Regime sanktioniert und die Ukraine beim Widerstand gegen die Aggression unterstützt werden. Sofortiger Rückzug der russischen Streitkräfte aus der gesamten Ukraine, einschließlich der seit 2014 besetzten Gebiete. Solidarität und Unterstützung für den bewaffneten und unbewaffneten Widerstand des ukrainischen Volkes. Waffenlieferungen auf Ersuchen des ukrainischen Volkes im Kampf gegen die russische Invasion seines Territoriums.“ (Erklärung des Internationalen Büros der Vierte Internationale, 1. März 2022)

Marx215: „Der russische Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar war ein Akt der imperialistischen Aggression und eine Verletzung des Selbstbestimmungsrechts des ukrainischen Volkes. Für die Ukrainer ist es ein Krieg der nationalen Selbstverteidigung. Gleichzeitig ist es vonseiten der westlichen imperialistischen Mächte, angeführt von den USA und organisiert durch die NATO, ein Stellvertreterkrieg gegen Russland…. Wir sind gegen beide imperialistischen Mächte.“ (Stellungnahme der IST zum Krieg in der Ukraine, 15. März 2022)

Sozialistische Alternative (SAV)6: „Nein zum Krieg in der Ukraine! Für das Recht der Menschen in der Ukraine, über ihre eigene Zukunft zu entscheiden, einschließlich des Selbstbestimmungsrechts für Minderheiten! Für die Rückkehr der russischen Truppen in die Kasernen in Russland und den Abzug aller NATO-Truppen aus Osteuropa. Kein Vertrauen in die beteiligten ‚friedenserhaltenden‘ imperialistischen Kräfte!“ (Erklärung der International Socialist Alternative, 24. Februar 2022)

Sozialistische Organisation Solidarität (SOL)7: „Stoppt den Krieg in der Ukraine. Abzug der russischen Truppen und Ende der Bombardierung. Abzug der NATO-Truppen aus Osteuropa. Aufbau der internationalen Bewegung der Arbeiter*innen und der Jugend gegen den Krieg.“ (Erklärung des Komitees für eine Arbeiter*inneninternationale, 24. Februar 2022)

Sozialistische Zeitung (SoZ)8: „Der russische Angriff auf die Ukraine ist als imperialistischer Akt rundum abzulehnen.… Es gibt nichts, was die Aggression rechtfertigen würde – auch nicht die aktive Einkreisungspolitik seitens der NATO, die tatsächlich den Hintergrund für das russische Vorgehen bildet.“ (Sozialistische Zeitung, 15. März 2022)

Wie man sieht, sind diese Standpunkte augenfällig ähnlich. Einige fordern Waffenlieferungen an die Ukraine (was nur von der NATO kommen kann), andere den Abzug der NATO-Truppen aus Osteuropa (etwas verspätet, ein gutes Dutzend osteuropäische Länder sind schon Mitglieder der NATO). Aber einstimmig schreiben sie Putin und Russland die alleinige Verantwortung des Krieges zu und fordern den Abzug von russischen Truppen aus der Ukraine, während die meisten den ukrainischen „Widerstand“ unterstützen, d. h., die Streitkräfte Kiews. Damit stimmen diese Pseudotrotzkisten den NATO-Sozialisten der Linkspartei zu und reihen sich in die von den westlichen Medien hochgepeitschte russlandfeindliche Empörung ein.

Das haben Teile der bürgerliche Presse bemerkt, wie z. B. die Grünen-nahe Tageszeitung. Die taz beschwert sich über:

„Widerstände gegen ein Umdenken zurzeit in vielen Texten und Wortmeldungen, die alle einem ähnlichen Aufbau folgen. Zu Beginn verdammen sie Wladimir Putin als Aggressor, meist mit dem Satz: ‚Dieser Angriffskrieg ist durch nichts zu entschuldigen.‘ Dann folgt ein großes Aber – und dieselben Textbausteine, die man schon all die Jahre verwendet hat….“
–„Linke und der Ukrainekrieg: Die Nato-war-schuld-Linken“, Tageszeitung, 8. März 2022

Die Kriegstreiber haben die proimperialistische Blauverschiebung der heute gar nicht-so-weit-links-stehenden Linken wahrgenommen. Aber sie verlangen mehr. Sie fordern die komplette Gleichschaltung der Linken: „Keine Bauchschmerzen beim Krötenschlucken, Genossen!“

RIO: Rattenfänger der Reformisten in Die Linke

Linksopportunistische Hilfstruppen der NATO. „Klassenkämpferischer Block“ marschiert in der von der DGB und anderen Gewerschaftsleitungen aufgerefenen Großdemo für „Frieden und Solidarität“ mit der Ukraine, Berlin, 13. März 2022.(Foto: Klasse gegen Klasse)

Es gibt zwar Reibereien unter den verschiedenen Marken der Linken in und um Die Linke. Einige wollen ihre Kapitulation immer noch hinter einem Feigenblatt verstecken, andere sind total schamlos, wie die Anhänger des anti-trotzkistischen „Internationales Büro der Vierten Internationale“, die behaupten, der Beitritt zur NATO sei exklusiv „Sache des ukrainischen Volkes“ (anstatt gegen die Mitgliedschaft im imperialistischen Militärbündnis zu kämpfen). Für revolutionäre Kommunisten, die sich auf das Programm von Lenin und Trotzki basieren, hat es keinen Sinn in diesem Sumpf herumzuwühlen, deren Inhaber sich längst die Logik des Reformismus angeeignet haben. Anders denkt die rechts-zentristische Revolutionäre Internationalistische Organisation (RIO), deutscher Ableger der falsch benannten Trotzkistischen Fraktion (FT, nach ihrer Bezeichnung im Spanischen), die ständig einen Block, eine Front oder sogar eine gemeinsame Organisation mit diesen Betrügern vorschlägt. Jetzt, wo Die Linke offensichtlich vor einer Spaltung steht, verstärkt die RIO ihr Manövrieren in diesem Milieu.

Bereits im Herbst 2021, vor den Bundestagswahlen, startete sie ihre Kampagne gegen eine Regierungsbeteiligung von Die Linke und boten den verschiedenen linken Strömungen in dieser Partei eine Allianz gegen den rechten Regierungskurs der Parteiführung an. Dies war ein verzweifelter Versuch, das reformistische Projekt der Linkspartei als angebliche Opposition am Leben zu erhalten. Die Quittung für Die Linke für ihren pro-kapitalistischen Kurs waren jämmerliche 4,9 % der Wählerstimmen bei der Bundestagswahl. Der Einzug in den Bundestag wurde nur durch drei errungene Direktmandate gerettet. Das hat für einige Wellen unter den Mitgliedern gesorgt. Aber die Führung bekräftigte ihren Kurs, fast alles, was die Partei von der SPD unterscheidet, über Bord zu werfen, um Juniorpartnerposten in einer Koalition zu bekommen – oder zumindest ihre Ämter im rot-rot-grünen Berliner Senat zu behalten. (Jetzt, wegen Problemen bei der 2021er Wahl, wird es im Februar 2023 eine Wahlwiederholung in Berlin geben, wobei die wackeligen Regierungsämter von Die Linke nochmals gefährdet sind.)

Nach der Wahl erschien auf RIOs Website „Klasse gegen Klasse“ der Aufruf „Berlin: Warum alle Linken den R2G-Koalitionsvertrag ablehnen sollten“, der mit dem Vorschlag endete: „Stattdessen wird es nötig sein, auf der Straße und in den Betrieben, Unis und Schulen weiterhin Druck auf den neuen Berliner Senat auszuüben.“ Die bloße Weigerung, sich an bürgerlichen Regierungen zu beteiligen, ist kaum gleichbedeutend mit einem Bruch mit dem Reformismus. Noch vor wenigen Jahren stellte sich Kevin Kühnert an die Spitze einer Revolte in den Reihen der SPD gegen die Fortsetzung der großen Koalition mit der CDU. Kühnert sprach vage von einer „Erneuerung“ der Partei. Am Ende wurde die GroKo weitergeführt, bis eine neue Koalition mit bürgerlichen Parteien zementiert werden konnte (die jetzige Ampelregierung) und sich in der SPD nichts weiter änderte, außer dass Kühnert die Nummer zwei wurde. Ein bisschen linkes Getue in der Jugendzeit kann bei Sozialdemokraten ihren Lebenslauf aufpeppen.

Wie wir vor den Wahlen feststellten, warb die RIO und „Klasse gegen Klasse“ gleichzeitig für eine Ablehnung der R2G-Koalition innerhalb von Die Linke und für die Gründung einer neuen Partei etwas links von ihr. Wir sehen hier die verschiedenen Methoden des reformistischen Programms in Aktion bei RIO, um Druck auf den kapitalistischen Staat auszuüben: a) von der Straße, b) von innerhalb einer reformistischen Partei, c) von außerhalb auf die reformistische Partei und d) durch eine neue reformistische Partei. Diese kontinuierlichen Machenschaften sind ein Merkmal der FT, die sie von ihrem (später verstoßenen) Vorvater, Nahuel Moreno, gelernt haben. Die Pseudotrotzkisten treten hier in die Fußstapfen des Erzstalinisten Maurice Thorez, der als Führer der Französischen Kommunistischen Partei 1935 die Volksfront zwischen den Sozialisten und den bürgerlichen Radikalen vermittelt hatte, aber außerhalb der Regierung blieb. Wie Leo Trotzki im Juni 1936 bemerkte, als Frankreich von Massenstreiks erfasst wurde (die die Stalinisten im Dienste der Volksfront verrieten), wollte die KP Frankreichs „nach außen hin ihre Unabhängigkeit wahren, um desto besser die Arbeitermassen der Volksfront, d. h. der Disziplin des Kapitals zu unterwerfen“ („Die entscheidende Etappe“ in Wohin geht Frankreich?)

Seit der neuesten Wahlschlappe der Linkspartei (2,9 % bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen) befindet sie sich in einer „existenzbedrohenden“ Krise (Partei-Ko-Vorsitzende Wissler). Sollte sie ihren Fraktions­status im Bundestag und in Landesparlamenten verlieren, könnte dies den finanziellen Konkurs bedeuten. „Für Wahlkämpfe, parlamentarische Tätigkeit, politische Bildungsarbeit und parteinahe Stiftungen erhalten sie eine Menge Geld (die Linkspartei im Jahr 2021 geschätzt etwa 150 Millionen Euro)“, so lautet eine Darstellung.9 Als eine Spaltung der Partei in der Luft schwebte, sah RIO ihre Zeit gekommen. Angesichts der Einbindung von Die Linke in den imperialistischen NATO-Kriegskurs startete sie noch einen Versuch zum Aufbau einer neuen „revolutionären“ Partei zusammen mit allerlei Reformisten:

„Deshalb schlagen wir der AKL, der SAV, der Sol, marx21, ebenso wie den fortschrittlichen Teilen der Linksjugend solid und all jenen Strömungen und Einzelpersonen, die sich den Aufbau einer tatsächlichen sozialistischen Opposition vornehmen wollen, vor, nach dem Parteitag der LINKEN eine sozialistische Konferenz zur Bilanz des Parteitags zu organisieren, und dort über die Frage zu debattieren, wie angesichts der sozialchauvinistischen und imperialistischen Aufrüstungspolitik der Ampelregierung eine klassenkämpferische, sozialistische und revolutionäre Alternative im Bruch mit dem Reformismus aufgebaut werden kann.“
Klasse gegen Klasse, 19. Juni 2022

Aber die erfahrenen Hochstapler von SOL, SAV, AKL usw. benötigen keine Hilfestellung von RIO, um als „linke“ Opposition zu manövrieren und zu posieren, so dass auch diese Variante ihrer Druckausüben-Projekte ohne Erfolg blieb.

Im Herbst, als rechtsextreme Kräfte Tausende nationalistische Demonstranten gegen den Krieg, die Energiekrise, Inflation usw. auf die Straße brachten, und die Linke-Kampagne „Genug ist genug“ wenig Widerhall fand – zum Teil, weil sie nicht gegen den Krieg gerichtet waren – hat RIO einen Aufruf „für einen revolutionären Bruch mit der Linkspartei“ veröffentlicht (Klasse gegen Klasse, 15. Oktober 2022). Mit Unterschriften von einigen aktuellen oder ehemaligen Mitgliedern von der Linksjugend solid, lud sie zu einer Konferenz um den Schlussstrich unter 15 Jahre von Die Linke zu ziehen. Diese ist jetzt für Mitte Januar 2023 aufgerufen. In Vorbereitung fragt RIO rhetorisch, „Ist eine revolutionär-sozialistische Partei links der LINKEN möglich?“ (Klasse gegen Klasse, 28. Dezember 2022). Abgesehen davon, wieviel Anhang diese Initiative erweckt, muss man zuallererst fragen, wofür die heraufbeschworene Partei stehen soll. In diesem Artikel ist von einem „Übergangsprogramm“ die Rede. Um eine Vorstellung davon zu bekommen, was RIO damit meint, werfen wir einen Blick auf ihr„Notfallprogramm“ für den (ausgebliebenen) „Heißen Herbst“ (Klasse gegen Klasse, 3. Oktober 2022).

In diesem Sieben-Punkte-Programm lesen wir von „Preisstopp jetzt“ für „Gas, Strom, Tanken, Nahrung, Miete“; automatischer Anpassung von Löhnen und Sozialleistungen an die Inflation; „entschädigungslose Enteignung der Energiekonzerne unter Kontrolle der Beschäftigten“; „sozialen und ökologischen Umbau des Energiesystems und der gesamten Wirtschaft“; „Schluss mit dem Krieg. Weder Putin noch NATO. Sanktionen und Waffenlieferungen beenden. Keine 100 Milliarden für Aufrüstung!“ Auch „Aufnahme aller Geflüchteten! Ende des Lagersystems! Gegen rechte Hetze!“ Usw. Da muss man fragen, wie sollen all diese schöne Sachen zustande kommen? Es wird von „Streiks gegen Krieg und Krise“ gesprochen, wobei man „an der Basis der Gewerkschaften selbst organisieren“ muss, denn „die Gewerkschaftsspitzen paktieren lieber mit den Unternehmen und der Regierung“ – scheinbar ohne Kampf gegen die Bürokraten. Verschiedene Forderungen sind also als Bittstellen an die Regierung gerichtet, während die restlichen nur fromme Wünsche bleiben.

Ein Übergangsprogramm wie im Gründungsdokument der Vierten Internationale, von Trotzki verfasst, ist das ganz und gar nicht. Es fehlen Forderungen, die als Brücke zwischen den aktuellen Forderungen der Massen und dem Ziel der sozialistischen Revolution dienen würden. Wie soll ein Preisstopp verwirklicht werden? Es steht da nichts von gewerkschaftlich-basierten Komitees um die Preise zu kontrollieren. Wie soll die rechte Hetze gegen Immigranten und Linken erwidert werden? Keine Erwähnung von Arbeiterschutzkomitees. Wer soll die „Kontrolle der Beschäftigten“ von verstaatlichten Energiekonzernen einführen? Der bürgerliche Staat? Die Arbeiterkontrolle, wie Trotzki und die Kommunistische Internationale sie als Übergangsforderung konzipierten, kann nur durch die Besetzung der Unternehmen durch die Arbeiter verwirklicht werden. Und zur Schlüsselfrage, da gibt’s nichts über den Kampf für eine Arbeiterregierung, die sozialistischen Revolution, oder eine Arbeiteravantgardepartei um diese anzuführen. Insgesamt ist das ein reformistisches Programm, das eine etwas linkere Linkspartei aufstellen könnte.

Soll das dann ein „Sofortprogramm“ sein, anders als das Übergangsprogramm? Das wäre der Zwiespalt zwischen Minimal- und Maximalprogramm der Sozialdemokratie. Besonders um den Krieg ragt die Klassenfrage hervor. „Der Krieg wird nicht durch die Waffen der NATO gestoppt“ (!), schreibt RIO, indem sie sich an „Kriegsgegner“ (also, Ukraine-Verteidiger) richten, die ihr Heil im imperialistischen Militärbündnis suchen. Stattdessen rufen diese Dritter-Weg-Gauner zu Arbeiteraktionen auf, die „gleichzeitig die Kriegslogistik der NATO und Russlands blockieren.“ Damit setzen sie NATO-Imperialisten und ihre Zielscheiben gleich. Revolutionäre Kommunisten, hingegen, rufen zu Arbeiteraktionen gegen Waffenlieferungen an die Ukraine auf, um dem imperialistischen Krieg der USA/NATO gegen Russland eine Niederlage zu erteilen. Auf jeden Fall ist die vorgebliche pazifistische Neutralität der RIO durchaus fiktiv. Mit ihrer ständigen Politik, jedweder „Bewegung“ nachzujagen, die momentan in kleinbürgerlichen Milieus populär ist, landen diese beruflichen Hinterherlaufer öfters auf der Seite der bürgerlichen Reaktion.

So auch beim Krieg in der Ukraine. Die RIO/FT sind sich durchaus bewusst, dass die enormen pro-ukrainischen „Friedensdemos“ in Wirklichkeit zur Unterstützung des imperialistischen Krieges gegen Russland mobilisieren. Ein Artikel zur Großdemonstration Ende Februar in Berlin berichtete, dass „sich auf der Kundgebung so gut wie niemand gegen die Militarisierung Deutschlands stellte…. Neben einem blau-gelben Fahnenmeer waren überall Flaggen der Europäischen Union zu sichten“ (Klasse gegen Klasse, 28. Februar). Aber da waren „mehrere hunderttausend Menschen in der Hauptstadt auf die Straße“ gegangen. „Was tun?“ fragte sich die RIO. Ihre Antwort: Mitmachen. So kam es, dass am 13. März, als die Gewerkschaftsleitungen erneut Zehntausende auf die Straße in Berlin brachten, die RIO und andere linksopportunistische Gruppen einen angeblich „klassenkämpferischen und internationalistischen Block“ organiserten. Aber auch hier, mussten sie zugeben, gab es „viele Stimmen für Sanktionen und zum Teil auch für Waffenlieferungen an die Ukraine“ (Klasse gegen Klasse, 13. März).


Stimmungsmacher am Werk am Brandenburger Tor, 13. März 2022. DGB Vorsitzender Rainer Hoffman sprach sich von der Tribüne für „starke Sanktionen“ gegen Russland aus, während viele Teilnehmer mit ihren blau-goldenen ukrainischen Fahnen mehr Waffenlieferung von der NATO an die Ukraine forderten. (Foto: DGB)

Es waren nicht nur „Stimmen“, die Führung des DGB, die zur Demo aufgerufen hatte, sprach sich für „scharfe wirtschaftliche Sanktionen“ gegen Russland aus, und äußerte sich nur „kritisch“ (d. h., nicht ablehnend) über die Militarisierung. Ob der linke Propaganda-Block für oder gegen Waffenlieferungen und Sanktionen Stellung nimmt, ist Nebensache. Sie nehmen Teil an Demos, für „Solidarität mit den Ukrainer*innen“, also mit dem Kiewer Regime, das als Speerspitze der NATO gegen Russland dient. Das sind Mobilisierungen für den Krieg gegen Russland, und die RIO, mit ihrem „Weder Putin noch NATO“-Transparent, ist mit von der Partie. Die bunten Linksopportunisten schwimmen mit dem kriegerischen Strom. Diese Hilfstruppen der NATO haben sich wehrpflichtig ge­meldet und leisten ihren Beitrag mit pseudo-pazifistischen Parolen zur Stimmungsmache für den imperialistischen Ansturm gegen Russland. Auch wenn es um kleinere Demos der Linken geht, z. B. am 29. Mai, vom Bündnis „Soziales statt Aufrüstung“ aufgerufen, ist das nur Streit über das Staatsbudget, nicht Widerstand gegen den Imperialismus.

IKL versucht vergeblich, die Pazifisten zu mobilisieren

Das letzte Glied dieser Kette von gleichgeschalteten Linken, die sich in den imperialistischen Krieg gegen Russland (und letztendlich gegen den deformierten Arbeiterstaat China) eingereiht haben, ist die zentristische Internationale Kommunistische Liga (IKL) und ihre hiesige Sektion, die Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands (SpAD). Wenn die Parteispitze von Die Linke dem SPD-Kriegstreiber nachläuft, und die Parteilinken sich vor der Leitung beugen, so jagen die verschiedenen reformistischen Pseudo-Trotzkisten hinter den Linken in der Linkspartei, während die zentristischen Varianten auf der Spur der Reformisten los sind. Wie schon erwähnt, hat die RIO/FT seit einigen Jahren vergeblich versucht, die Linken der Linkspartei in das eine oder andere Projekt für eine etwas linkere Partei zu locken. So wie die RIO im Herbst 2021 eine Opposition innerhalb von Die Linke gegen die Regierungsbeteiligung anzetteln wollte, so kommt die SpAD im Frühling 2022 als Nachhut, mit derselben Methodologie, mit einer Initiative, „Schmeißt die NATO-Unterstützer aus der Linken“.

Zur Erinnerung: die IKL (und vor ihr, die internationale Spartakistische Tendenz) war durch drei Jahrzente die Verkörperung des revolutionären Trotzkismus, bis Mitte der 90er Jahre, als sie, nach der konterrevolutionären Zerstörung der Sowjetunion und der mit ihr verbundenen osteuropäischen bürokratisch deformierten Arbeiterstaaten wie der Deutschen Demokratischen Republik, der Welle des Defätismus innerhalb der Linken weltweit erlag. Die Gründer der Liga für die Vierte Internationale und der Internationalistischen Gruppe sind Kader, die aus der IKL 1996-1997 ausgeschlossen worden waren. Die neuzeitliche IKL gab Stück für Stück das leninistisch-trotzkistische Programm auf, bis sie in 2010 skandalös die militärische Invasion und Besetzung Haitis vom US-Imperialismus verteidigte. Während anderthalb Jahre der Pandemie hatte die IKL/SpAD sich völlig vom Klassenkampf verabschiedet, konnte sogar nicht auf die Straße gehen, um gegen die mörderische rassistische Polizeirepression zu protestieren. Dann, gerade als die Bourgeoisie sich entschieden hat, die Lockdowns aufzugeben, haben diese Ex-Trotzkisten plötzlich entdeckt, dass diese Maßnahmen zu unterstützen (was eigentlich nur sie systematisch getan haben) Klassenverrat ist.

Aus ihrem Dornröschen-Schlaf erweckt, schaut die SpAD/IKL herum und versucht sich politisch zu orientieren. Dabei entdeckt sie einen vermeintlichen Konflikt zwischen der pro-NATO-Führung der Linkspartei und pazifistischen Tendenzen in der Mitgliedschaft und versucht diesen Widerspruch auszunutzen. Sie schlagen vor, die offenen NATO-Befürworter wie Gregor Gysi und Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow aus Die Linke auszuschließen, drucken sogar einen Antrag in diesem Sinne und kommen zum Erfurter Parteitag mit einem Transparent, das in einigen bürgerlichen Medien erwähnt wurde. Damit haben sie sich lächerlich gemacht, weil, wie wir dargestellt haben, die ganze Linkspartei auf den pro-NATO, antirussischen Kriegskurs eingestiegen ist. Aber nicht nur das. Mit ihrer überschlauen Taktik hat sie pazifistischen Strömungen und sogar den deutschen Imperialismus verschönert. Sie schreibt:

„Über Jahrzehnte hinweg war ihre Position ‚gegen Aufrüstung‘ und gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr‘ kompatibel mit den Zielen des deutschen Imperialismus…. Die „friedliche“ Politik des deutschen Imperialismus in den letzten 30 Jahren konzentrierte sich auf die Ausbeutung und Unterjochung der abhängigen Länder Europas von Lissabon über Athen bis Riga im Rahmen der EU und mithilfe des Euro, um damit seine wirtschaftliche und politische Dominanz in Europa unter dem Schirm des US-Imperialismus weiter auszubauen.“
Spartakist, Frühjahr 2022

In ihrem Corona-Schlaf war die SpAD offensichtlich von pazifistischem Fieberwahn heimgesucht und von einer wundersamen Amnesie befallen worden. Sie haben Deutschlands imperialistischen Kriegseinsatz in Afghanistan und das Massaker in Kundus vergessen, auch den 1. Golfkrieg 1990, die NATO-Bombardierung von Jugoslawien 1999, die KFOR-Truppen im Kosovo, den Marine-Einsatz am Horn von Afrika und im Mittelmeer, die Bundeswehr in Mali, Libyen, Sudan, Westsahara, die Ausbildung der Peschmerga in Kurdistan/Syrien. Anscheinend allesamt vergessen oder nicht mitbekommen genauso deutsche Fregatten im Südchinesischen Meer, „Deutschlands Verteidigung am Hindukusch“ und die Verteidigung der deutschen Sicherheit und Freiheit im „Indo-Pazifik“. Die Tatsache ist, dass pazifistische Rhetorik öfters in militärische Aktion mündet, genau wie die Sozialdemokratie 1914 ihre starken Antikriegsresolutionen mit dem Ausbruch des imperialistischen I. Weltkriegs plötzlich vergaß, und wie man gerade bei der pazifistischen deutschen Linken beobachten kann.


An die 5.000 Personen demonstrierten in Leipzig am Montag, 5. September 2022, bei einer Demonstration, aufgerufen von Die Linke, gegen hohe Energie- und Lebensmittelpreise. Um zu versichern, dass die Kundgebung sich nicht in einen Antikriegsprotest umwandele, hat die Parteileitung Gregor Gysi (unten), der zuvor NATO-kritische Parteimitglieder heftig angegriffen hat, als Schlußredner eingesetzt. Dies war die einzige Demo der Linkspartei-Kampagne für einen „Heißen Herbst“, die einen größeren Widerhall fand, während Rechte bis zu 100.000 in Ostdeutschland auf die Straße gebracht haben gegen den Krieg und Teuerung. (Fotos: Mitteldeutscher Rundfunk)

Der Pazifismus ist eine bürgerliche Ideologie, und „Friedensbewegungen“ sind naturgemäß Volksfronten, die sich auf der Verteidigung des kapitalistischen Fundaments aufbauen. Wie Trotzki in einem Artikel inmitten des Revolutions-Jahres 1917 schrieb:

„Theoretisch und politisch steht der Pazifismus auf demselben Boden, wie die Lehre von der Harmonie der sozialen Klasseninteressen…. [E]r schafft einen Ausgang für die Angst des Kleinbürgertums vor den Welterschütterungen, in denen es nur den Rest seiner Selbständigkeit verlieren kann; er lullt seine Wachsamkeit ein durch die fruchtlosen Ideen der Abrüstung, des Völkerrechts und der Schiedsgerichte, um sie dann im entscheidenden Moment samt Haut und Haar dem imperialistischen Kapital auszuliefern, das alle Mittel für seine Zwecke mobil gemacht hat: die Technik, die Kunst, die Kirche, den bürgerlichen Pazifismus, wie den patriotischen ‚Sozialismus‘.
„‚Wir waren immer gegen den Krieg, unsere Abgeordneten, unsere Minister waren gegen den Krieg, – ruft der französische Kleinbürger, – folglich hat man uns den Krieg aufgedrungen, – und im Namen der Verwirklichung unserer pazifistischen Ideale – müssen wir den Krieg bis zum siegreichen Ende führen.‘“
–Leo Trotzki, „Der Pazifismus im Dienste des Imperialismus“ (Juni 1917)

Deswegen ist die rasante Gleichschaltung der reformistischen, und auch zentristischen Linken, die sich vor unseren Augen abspielt, keine unerwartete Neuigkeit. Im Gegenteil, sie ist die logische Folge der Politik der Klassenkollaboration, die sowohl dem sozialdemokratischen wie dem stalinistischen Reformismus zugrunde liegt. Aus dem gleichen Grund sind die zentristischen Manöver der RIO/FT und der SpAD/IKL gescheitert. Parteien und politische Strömungen, die sich auf die Reformierung des Kapitalismus aufbauen (mit Losungen wie „soziales statt Aufrüstung“, „Bücher statt Bomben“, „Butter statt Kanonen“, usw.) sind notwendigerweise zur Regierungsbeteiligung geneigt, und in Zeiten großen sozialen und wirtschaftlichen Umschwungs dem Druck zur nationalen Einheit zwangsläufig unterlegen.

Die „Zeitenwende,“ die wir heute erleben, folgt auf den Fersen einer Pandemie, die die ganze kapitalistische Welt erschüttert hat, inmitten des aufkommenden Untergangs des Kapitalismus, und jetzt, wegen des wahnsinnigen Kriegskurses der USA und NATO/EU-Imperialisten gegen Russland und China, noch mit der eskalierenden Gefahr eines thermonuklearen Weltkriegs. Der Reformismus ist tot, Friedensbewegungen sind zum Scheitern und Umwandlung in Kriegsbewegung verurteilt. So ist der einzige Ausweg für die Ausgebeuteten und Unterdrückten der Welt der Klassenkampf, der direkt auf die internationale sozialistische Revolution abzielt. Dies war das Programm von Lenin und Trotzki, wofür heute die Internationalistische Gruppe und die Liga für die Vierte Internationale kämpfen. ■


  1. 1. Bei den „Farbrevolutionen“ handelte es sich um eine Reihe von Staatsstreichen, von den USA angezettelt, um pro-westliche Regime in ehemaligen Sowjetblockstaaten (Serbien 2000) bzw. Sowjetrepubliken (Georgien [Rosen] 2003, Ukraine [Orange], Kirgisien [Tulipan] 2005) zu installieren.
  2. 2. Vom Komitee für eine Arbeiter*innen­in­ter­nationale (CWI) von Peter Taafe angeleitet.
  3. 3. Sektion der Liga für die Fünfte Internationale (L5I), von der britischen Workers Power angeführt.
  4. 4. Deutsche Filiale des „Internationalen Komitees der Vierten Internationale“ (IKVI, Vorher Vereinigtes Sekretariat), Anhänger von Ernest Mandel.
  5. 5. Von der Internationalen Sozialistischen Tendenz (IST), Anhänger des antitrotzkistischen Renegaten Tony Cliff.
  6. 6. Deutsche Filiale der International Socialist Alternative (ISA), Abspaltung (2019) von der CWI.
  7. 7. Deutsche Sektion der CWI.
  8. 8. Andere Unterstützer der IKVI.
  9. 9. „Gegen die Wand: Thesen zur Situation der Linkspartei Ende Oktober 2022“, Junge Welt, 18. Oktober 2022.